Etwas Neues aus Altbekanntem zu kreieren, das unsere Leidenschaft freudig entflammt, ist eine hohe Kunst. Mit Blumen geht das fantastisch: Ich teile Stauden, ich bringe Samen aus, und je nachdem, in welcher andersartigen Kombination ich die Pracht arrangiere, verzaubert sie mich zutiefst, obgleich mir Farben und Formen der Blüte ja bekannt sind. Insofern hat Daryl Halls Version von „Here comes the rain again“ etwas Gärtnerisches, denn auch hier nährt die von den Eurythmics seit den Achtzigern bekannte Grundmelodie unsere Lauscher.
Das Original offenbart nach Hunderttausenden Wiederholungen deutliche Abnutzungserscheinungen. Mit einer auf Flügel und Akustikgitarre beschränkten Instrumentierung verhelfen Daryl Hall und der damalige Eurythmics-Chef Dave Stewart dem Evergreen zu neuer Blüte. Aus der Synthie-Pop-Perle wird ein teilzeitschwerer Song, der wie ein mit herbstlichem Raureif überzogenes Blatt aus windumtoster Krone zu Boden schwebt, während graues Gewölk bittere Tränen weint. Heiser-heiß intoniert Hall jene bedeutungsschwangeren Zeilen, die Annie Lennox so verlässlich wie ein Uhrwerk zu uns fliegen ließ, als die Eurythmics auf dem Höhepunkt ihrer Karriere waren.
Sie kam nicht aus dem Soul, diese tolle Sängerin, Hall schon, und deshalb transplantiert er gefühlvoll „heyheyhey“ und ein paar weitere Silben und Halbsätze ins Zentrum der Lava. Er formt eine gänzlich neue Art aus der Urfassung, taucht mit Haut und Haar und hinter der Sonnenbrille geschlossenen Augen in die Unendlichkeit der Melodie. Dave Stewart düngt, ach bleibe ich doch im Jargon eines Gärtners, dieses neue Pflänzchen mit luftigem Gitarrenspiel und bringt es zu einem Punkt, an dem ich mich tatsächlich frage, ob die neu gewonnene Art nicht sogar schöner ist als das Original. Hall und Stewart fragen sich das nicht – das ist der Grund, weshalb sie‘s nicht versauen.