Von Jens F. Meyer
PARIS / HAMELN-PYRMONT. Die Olympischen Sommerspiele sind eröffnet: Bis zum 11. August werden sie in Paris und Frankreich ausgetragen. Der Blick in die Geschichte fördert Kurioses zutage. Wo einst sogar Pistolenduelle zugelassen wurden, da steckt eben eine Menge Potenzial. Olympische Erkenntnisse …
1998 bin ich vorm Fernseher eingepennt. Es war kalt, es war dunkel, es war Februar. Die Öffentlich-Rechtlichen TV-Dramaturgen des Sportressorts scheuten sich nicht, mithilfe auch meines Rundfunkbeitrags den Curling-Wettbewerb live zu übertragen, aus Nagano, Japan, wo die Olympischen Winterspiele ausgerichtet wurden. Vielleicht war’s gar nicht live, vielleicht war‘s in Zeitlupe – Curling lässt da viel Raum für Interpretation. Ein kreisförmiger Granit-Stein, maximal 19,96 Kilogramm schwer und mit einem Umfang von 91,44 Zentimeter versehen (wieder was gelernt!), schmirgelt in aller Seelenruhe übers Eis, um andere Steine herum, auch mal, um sie anzubumsen (na gut, wie soll man‘s denn nennen…). Drumherum (das ist der „Curl“) ist natürlich feiner.
Ja, Curling dauert Stunden …
Das Team, das am Ende der Runde seinen Stein am mittigsten platziert hat, gewinnt. Ja, es ist ein Mannschaftswettbewerb, was ich auch erst später erfuhr, nachdem ich wieder aufgewacht war, nachts gegen 3.30 Uhr, zwischen Flaschenbier und Chipstüten (Verzehr nicht olympisch, aber olympisch rekordverdächtig), mit verquollenen Augen und steifen Knochen. So ein Aufeinandertreffen zweier Viererteams kann gut und gerne zweieinhalb Stunden dauern. In Zeitlupe noch länger. Nun, jedenfalls bin ich froh, dass jetzt Olympische Sommerspiele sind. Da wird nicht gecurlt, es wird gelaufen, gesprungen und so was eben. Und mit dem ersten Skandal – einer zweistündigen Unterbrechung des Fußballspiels zwischen Marokko und Argentinien aufgrund eines Fan-Sturms aufs Spielfeld – hat die Sache superspannend angefangen.
Wie Unterhosen im Wind
Allerdings wird auch gesegelt. Menschen beim Segeln zuzuschauen, das erinnert mich wieder an die Unterhosen auf der Leine. Ist vergleichbar mit der Formel Eins, nur nicht so schnell: Man fährt ’ne Strecke ab, und solange es keinen Unfall gibt, was ich immer hoffe, fahren die Teilnehmer eben … ’ne Strecke ab. Ich habe mir wahrlich viel Mühe gegeben, ich habe Jahre gebraucht, um zu begreifen, dass es mich nicht interessiert, weder das Segeln noch die Formel Eins, die übrigens nicht olympisch ist. Aber es gibt andere Disziplinen, die können mich wirklich begeistern. Oder könnten, rein theoretisch.
Pistolenduell nicht mehr olympisch
Denn das Heißluftballonfahren ist irgendwann nicht mehr zugelassen worden. Zu aufreibend. Keulentanz und Seilklettern wurden auch gestrichen. Das Tauziehen hat eine „Heimat“ in den Highland-Games erhalten; wenigstens die Schotten wissen, was sich gehört. Und nun, da die Olympionikinnen, -niken und -nikenden in den anstehenden zwei nächsten Wochen in Paris und anderswo auf Tuchfühlung gehen, denke ich an die Tauben der Stadt, die nicht mehr erschossen werden dürfen. Im Jahr 1900 war das anders. Damals wurden die Spiele auch hier, wo die Liebe, wohl aber nicht die Nächstenliebe, zumindest nicht die zu Vögeln, eine Heimat hat, ausgetragen. Das Erschießen von lebendigen Tauben war anerkannte Disziplin.
Wie viele Gurrenden abgeknallt worden sind, habe ich nicht in Erfahrung gebracht, aber seitdem ich also weiß, wie grausam Sportarten bei Olympischen Spielen sein können, will ich Segeln im Sommer und Curling im Winter ab sofort über mich ergehen lassen. Ich werde mich zudem hüten, hier das Duell mit der Pistole ins Spiel zu bringen. Einmal – 1906 in Athen – war dieser Wettbewerb olympisch. Niemand kam zu Schaden; geschossen wurde mit Wachskügelchen. So gesehen auch wieder nur langweilig.