Weserbergland (ey). In früheren Zeiten wurde die Mistel verehrt. Sie galt als heilig. Die Zeiten aber haben sich drastisch geändert. Das parasitäre Gewächs verbreitet sich so sehr, dass mit großen Schäden auf Streuobstwiesen und in Alleen des Weserberglandes gerechnet werden muss beziehungsweise viele Bäume schon dem Untergang geweiht sind. Experten wie etwa Michael Mäkler, Gärtnermeister im Niedersächsischen Staatsbad Pyrmont, warnen vor weiteren Schäden.

„Vor einigen Jahrzehnten waren Laubholzmisteln fast ausgerottet. Sie wurden deshalb unter Schutz gestellt, haben sich in der Zwischenzeit aber so stark vermehrt, dass wir unbedingt die Augen offenhalten müssen und gegen die Ausbreitung angehen“, erklärt Michael Mäkler, zuständig für den Kurpark in Bad Pyrmont. Und das ist nicht verboten: Unter Naturschutz stehen Laubholzmisteln (Viscum album L.) nicht.

Die Verbreitung der Misteln erfolgt durch Vögel, die die Beeren fressen, in denen sich der Same befindet, der mit dem Kot wieder ausgeschieden wird. Auf der Rinde (Ast) des Wirtsbaumes keimt der Same durch Licht und Luftfeuchte. Nach etwa einem Jahr gelingt es ihm, sich an den Kreislauf seines Wirts zu heften, dem er Wasser und Mineralsalze entzieht. Eine Mistel ist nicht das Problem, jedoch: Diese eine Mistel „tropft“ – zusätzlich zum Vogelkot – dann ihre Samen in den Folgejahren, sodass ein starker Befall entsteht, der bis zum Absterben des Baumes führen kann.

Es braucht nicht viel Aufmerksamkeit, um gerade jetzt, da das Laub zu Boden fällt, in vielen Bereichen im Landkreis Hameln-Pyrmont starken Mistelbefall festzustellen. Große Linden und Kastanien am Sana-Klinikum in Hameln sind mittlerweile ebenso betroffen wie Alleebäume in unterschiedlichsten Vierteln der Stadt. Kein anderes Bild außerhalb der Ortschaften: Viele Bäume an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen geben ein bemitleidenswertes Bild ab. Betrachtern dieser grünen Tragödie stellt sich eine entscheidende Frage: Wenn es nicht verboten ist, Misteln zu entfernen, und jeder Baum vor dem Hintergrund eines verbesserten Mikroklimas eine doch so wichtige Rolle spielt, weshalb wird dann nicht gehandelt? Eine Anfrage des HALLO beim Landkreis (Untere Naturschutzbehörde) erbrachte dazu nur eine Pauschalaussage: „Letztlich kommt es auf die Beobachtung an, die wiederum von der Verfügbarkeit entsprechender Fachleute abhängt, die dann weitere Entscheidungen zur Vermeidung/Eindämmung einer Ausbreitung treffen können, wie zum Beispiel ehrenamtliche Baumpfleger.“

Fakt ist: Tausende Bäume in der Region sind betroffen, sowohl auf privaten Grundstücken als auch im öffentlichen Raum. Für die Wälder gebe es laut Hamelns Forstamtsleiter Carsten Bölts „drängendere Probleme als Misteln“, allerdings müsse man zumindest ins Kalkül ziehen, dass sie als Schmarotzer den Baum schädigen, weil sie ihm nichts bieten, sondern nur Kraft entziehen“. Und: Große Misteln haben durchaus viel Gewicht. Ein geschwächter Baum mit hohem Befall könnte auch einem Sturm zum Opfer fallen.

Das alles sind Gründe, weshalb Michael Mäkler mit seinem Team im Bad Pyrmonter Kurpark frühzeitig eingreift. „Zu lange zu warten würde bedeuten, dem betroffenen Baum unnötig Stress auszusetzen.“ Außerdem gehe es nicht zuletzt um die Verkehrssicherungspflicht; es darf keine Gefahr davon ausgehen.

Denn wie auch vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zu erfahren ist, führt dichter Mistelbefall zu verminderter Wuchsleistung des Baumes „und im Extremfall zum Absterben“. Ob man sich gerade vor dem Hintergrund des Schutzes für Bäume, die – nicht nur im Wald, sondern auch gerade in Städten und an Straßen – für Schatten und verbesserte Luftqualität sorgen, ein Ignorieren des Problems also leisten kann, ist fragwürdig.

Der Mistelzweig über dem Eingang ist zu Weihnachten eine schöne Tradition. Es gäbe keine bessere Zeit, jetzt zu handeln …