Weserbergland (ey/mes). Erntedank und Erntefest: In den vergangenen Jahren haben diese beiden Aspekte in der Landwirtschaft Federn lassen müssen. Das Interesse daran, eine Erntekrone zu binden, einen Umzug mit Traktoren zu organisieren und am Abend in der Scheune zum Tanz zu bitten, ist geringer geworden. Ganz eingeschlafen ist die Tradition nicht – in Reinerbeck wurde am vergangenen Wochenende auf Initiative des dortigen Junggesellenclubs zünftig gefeiert und dies auch auf Facebook dokumentiert. Andernorts ist die Tradition aber komplett weggebrochen. Landwirtschaft im Wandel der (Feier-)Zeit.
Gunther Siekmann (Hof Siekmann in Dehrenberg) vermag den Wandel nicht bewerten zu wollen. „Ich glaube, das letzte Erntefest in unseren Dörfern Dehrenberg und Dehmke ist 20 Jahre her. Das Interesse ist gesunken; die moderne Zeit hat sicher dazu beigetragen. Die Landwirtschaft ist in steter Veränderung“, sagt der erfahrene Landwirt. Für traditionelle Feste, die ja auch einer guten Vorbereitung bedürfen, hätten die Bauern nicht mehr so viel Zeit. Was in der Tat schon auch bedauerlich ist, umso mehr, wenn man sieht, wie schön die Reinerbecker den Anlass der eingebrachten Ernte am zurückliegenden Wochenende gefeiert haben. Dokumentiert auf Facebook mit tollen Bildern.
Am dritten Wochenende im September
„Es ist Tradition, dass wir immer am dritten Wochenende im September bei uns in Reinerbeck das Erntefest ausrichten. Dazu dreschen wir unter Mithilfe ortsansässiger Landwirte das Korn, binden auf dem Feld die Garben mit einem alten Mähbinder, um daraufhin die Erntekrone zu erstellen. Und in jedem Jahr ist eine neue Erntekönigin dabei – diesmal Henriette Keßler. Wir feiern traditionell, mit Umzug, geschmücktem Wagen, geschmückter Scheune und einer Party mit DJ im Dorfgemeinschaftshaus“, erklärt Nico Hillmann, Vorsitzender des 130 Mitglieder zählenden Junggesellenclubs, von denen 50 aktiv sind. Es könnte Dörfer geben, die ein bisschen neidisch auf Reinerbeck blicken … Die Sünteldörfer Haddessen und Pötzen vielleicht nicht: Sie feierten ebenfalls jetzt ein Erntefest mit Tanz in traditionellen Trachten.
Wobei die Traditionen auch gewachsen sein müssen. „In Fuhlen und Umgebung hat es nie Erntefeste gegeben, aber dafür wird hier ja Kirmes gefeiert – in Rumbeck, Heßlingen und Fuhlen“, sagt Heinz Poock vom Kartoffelhof Poock in Fuhlen. Erntedank ist dennoch wichtig. Der Kartoffelhof Poock setzt ihn mit zahlreich auf Stroh gebetteten Kürbissen in Szene.
Auch in Bad Pyrmont genießt das Fest noch einen hohen Stellenwert, wie Pastorin Ira Weidner verdeutlicht. Derzeit ist sie in den Kindergärten der Bergdörfer unterwegs. „Wir danken gemeinsam für alles; Danken ist immer aktuell!“ Bei den Kleinen sei das auch schon mal für den Teddybären oder Freunde. Denn: „Früchte gibt es nicht nur auf dem Feld“, betont sie. Für jeden sei das Danken relevant – da spielten auch weder Konfession noch Herkunft eine Rolle. „In manchen Kindergärten sind viele nicht-deutschstämmige Mädchen und Jungen – und auch sie danken.“ Alle Eltern legten großen Wert auf das Thema Erntedank.
Und gerade weil das Erntedankfest für alle sein soll, nicht jeder die Kirche oder Kirchengebäude mag, finde die zentrale Veranstaltung am Sonntag, 1. Oktober, 11 Uhr in der Reithalle „Arkadia“ in Bad Pyrmont statt. Dem Gottesdienst schließt sich ein Imbiss an. Da die Landwirte derzeit aber auch aktiv mit der eigentlichen Ernte zu tun hätten, gibt es für sie eine weitere Feier: ab 14 Uhr mit Rollenspiel, sagt Ira Weidner. „Ich bin dabei das kleine Dankeschön“, schmunzelt sie.
Weitere Erntedankfeste werden zum Beispiel diesen Sonntag, 24. September, 11 Uhr in der Kirche St. Marien in Lügde gefeiert sowie Sonntag, 1. Oktober, in der Münsterkirche Hameln (10 Uhr, Gottesdienst mit Abendmahl) und in der ev.-luth. Paulus-Kirche Neersen (14 Uhr, mit Imbiss).