Hameln. Radikaler Lockdown zum Saisonanfang, weitreichende Beschränkungen im Frühsommer, leichte Erholung im Sommer und Herbst – erneute Schließungen im November und Dezember: Es sind schwierige Zeiten für den Tourismus. Die Städte mit ihrer großen Bedeutung für den Geschäftsreiseverkehr sowie dem Tagungs-, Kongress- und Veranstaltungsgeschäft hat es besonders hart getroffen.

Nicht aufholbare Verluste der Gastronomie- und Unterkunftsbetriebe, Veranstalter, Kultur- und Freizeiteinrichtungen von der Ausflugsschifffahrt über Freizeitparks, Museen und Stadtführern, aber auch im für Touristen so wichtigen Einzelhandel haben die Corona bedingten Einschränkungen Löcher in die Kassen gerissen. Jede Woche Stillstand bedeute 1,8 Milliarden Euro an Umsatzverlusten allein beim Übernachtungs- und Tagestourismus, schlägt der Deutsche Tourismus Verband (DTV) Alarm.

Das Hoffen und Bangen gehe überall weiter – längerfristige Perspektiven, wie es nach den Einschränkungen für die Branche weitergehen kann, bliebe das Parlament schuldig. Der Impfstoff, eine Schnelltest-Strategie und bundesweit überprüfbare Standards für sicheres Reisen sind wesentliche Elemente. Für die Zeit nach dem Lockdown ist ein bundeseinheitlicher Rahmenplan existenziell, so der DTV.

Die Hameln Marketing und Tourismus GmbH (HMT) schaut gleichermaßen auf Monate im Ausnahmezustand zurück und bereitet sich dennoch vorsichtig optimistisch auf die kommende Saison vor: „Hinter uns liegt ein extremes Jahr mit völlig neuen Erfahrungen für die Tourismusbranche, Gastwirtschaft und Einzelhandel sowie die Veranstaltungslandschaft unserer Stadt. Die durch die Corona-Pandemie ausgelösten Einschränkungen bis hin zum partiellen Lockdown zeigen schwere wirtschaftliche Auswirkungen“, so HMT-Geschäftsführer Harald Wanger.

„Nur wenn jetzt die wirtschaftlichen Hilfsinstrumente durch Bundes- und Landesregierung greifen, kann eine Insolvenzwelle abgewendet werden. Und viele Betriebe benötigen zwingend eine Perspektive für die Zukunft“, so Harald Wanger.

Auch der HMT selbst sind im Reise- und Veranstaltungsgeschäft die Buchungen weggebrochen – mit der Folge, dass die Refinanzierung der GmbH in Bedrängnis geriet. Nur ein Sonderzuschuss der Stadt Hameln von 145.000 Euro bei gleichzeitigen massiven Personaleinsparungen, unter anderem durch Kurzarbeit seit April, werden beim Jahresergebnis die Umsatzverluste abdecken; was auch wichtig ist, denn kommunale Tourismusorganisationen sind weitestgehend von den Überbrückungshilfen von Bund und Land ausgenommen.

„Letztlich ist auch Tourismus eine freiwillige Leistung der Kommune. Dankenswerterweise wurde dadurch gesichert, dass wir das Hamelner Tourismusgeschäft nach Beendigung der Einschränkungen mit gemeinsamer Anstrengung zurück aufs Gleis setzen können. Denn jeder Euro zahlt sich hier mehrfach aus”, sagt Harald Wanger.

Parzielle Betriebsschließungen

„Die Reisewirtschaft, Hotellerie und Gastronomie sowie der ganze Kultur- und Veranstaltungssektor wurden in der Gesamtbewertung leider als Treiber des Infektionsgeschehens betrachtet, was zu massiven Einschränkungen bis hin zu parziellen Betriebsschließungen führte“, so Wanger. Doch Corona mache deutlich, wie viele andere Branchen mit am Tropf hängen. „Der Einzelhandel leidet, das nachgelagerte Gewerbe, dazu gehören Bäcker, Fleischer, Partyservices, Getränkelieferanten, Versicherer, Büromaschinenhersteller, Kreativ- und sonstige Agenturen, Druckereien, Wäsche- und Reinigungsfirmen, Floristen, das Taxigewerbe, viele Soloselbständige und, und, und: Denen fehlen massiv Einnahmen, weil sie keine Aufträge bekommen.“

Beispiel HMT: 2020 fehlen gegenüber dem Vorjahr rund 1,4 Millionen Euro Nettoumsätze aus Reisedienstleistungen wie Stadtführungen, Pauschalreisen sowie den Veranstaltungen. Davon wären sonst über 1 Million Euro in Form von Aufträgen an unsere Dienstleister und Geschäftspartner gegangen.

So sah es seit März im Bereich der HMT aus: Gestartet wurde erst am 25. Mai mit öffentlichen Stadtführungen (ohne Personen-Beschränkungen ab 22. Juni). Die Gesamt-Teilnehmerzahl vom 1. Januar bis 1. November lag bei 10.511 bei 778 Führungen, im Jahr 2019 nahmen insgesamt knapp 61.000 Teilnehmer an 2.964 Führungen teil, ein Minus von rund 73 Prozent. Busreisen waren zunächst verboten, dann personenbeschränkt, ein Gruppengeschäft gab es so gut wie gar nicht und Schulausflüge wurden komplett storniert.

Das Rattenfänger-Freilichtspiel und das Musical „RATS“ hofften auf wenigstens einen Auftritt, doch ihr Wunsch blieb unerfüllt. Sämtliche Großveranstaltungen des Stadtmarketings mussten ab Mitte Mai hintereinander abgesagt werden, inklusive Weihnachtsmarkt. Situation Veranstaltungen in der Rattenfänger-Halle und Weserbergland-Zentrum: Hygienekonzepte wurden erarbeitet, angepasst, Veranstaltungstermine wurden storniert, mehrfach angefasst, mehrfach verschoben oder ganz abgesagt. Schließlich musste auch das Musical „Die Schatzinsel“, vorgesehen vom 13. Dezember bis 3. Januar im Theater Hameln, auf das kommende Jahr verschoben werden.

46 Prozent weniger Übernachtungen

„Welchen Aufwand eine Stornowelle, Anpassungen und Veranstaltungsverschiebungen bedeuten, lässt sich vielleicht erahnen, von dem finanziellen Verlust ganz abgesehen“, so Harald Wanger und Stadtmanager Dennis Andres unisono. Das fehlende Tourismusgeschäft wirke sich auf alle vorgenannten Bereiche aus und spiegele sich auch deutlich in den Übernachtungszahlen wider. Das Landesamt für Statistik Niedersachsen weist für die Monate Januar bis September im Weserbergland -43,0 Prozent, für Hameln -46,2 Prozent aus; besonders betroffen ist dabei der Auslandstourismus mit -71,9 Prozent, der in der Rattenfängerstadt traditionell eine wichtige Rolle spielt.

 In der Phase des 1. Lockdowns wurden die Social-Media-Aktivitäten verstärkt, mit einer Instagram-Kampagne wurden sehenswerte Stadtansichten auf sympathische Art von Mitarbeitern des Stadtmarketings als Quiz inszeniert und brachte damit viele positive Reaktionen ein, auf Facebook wurden Wandervorschläge im Hamelner Stadtforst platziert und der Rattenfänger entwickelte das Angebot „Virtueller Rattenfänger“ und verschaffte sich damit in Zeiten von Flugverboten Auftritte – und wichtig: eine Brücke zu Zuschauern im Ausland.

In der Folge des Lockdowns kam es zu einem verstärkten Austausch mit den Übernachtungsanbietern, der Gastronomie, dem Einzelhandel und Freizeit-Anbietern wie der Glashütte und der Flotte Weser, um Möglichkeiten zur Bewältigung der Krisen-Situation auszuloten. Beratungsleistungen der HMT waren wichtiger als je zuvor. Die Kampagne „Kauf-in-Hameln“ wurde ins Leben gerufen, auf einer Internetseite wurden alle Betriebe aufgelistet, die Außer-Haus-Angebote vorhalten konnten. Über Radio-Werbung und Großplakate wurde darauf aufmerksam gemacht.

Kraftanstrengung im Winter

Mit der Sommer-Aktion „Alter Falter – beflügelt durch die Hamelner Altstadt“ wurde in Kooperation mit der Stadt Hameln, den Stadtwerken Hameln sowie der Deister- und Weserzeitung, der Volksbank Hameln Stadthagen und der Sparkasse Weserbergland ein Anreiz geschaffen die Fußgängerzone zu beleben. Dazu gehörten neben dekorativen Schmetterlingen, einer Selfie-Station, einem Gewinnspiel und freiem Parken am Nachmittag in den Parkhäusern auch gezielte Werbeaktionen im Großraum Hannover. „Tatsächlich konnten wir trotz Corona die Frequenz in der Innenstadt in den Sommerferien auf Vorjahresniveau halten – jetzt gilt es durch den Winter zu kommen, ohne an Attraktivität in der Gastronomie, Hotellerie und im Einzelhandel einzubüßen: eine Kraftanstrengung für alle beteiligten“, so Stadtmanager Dennis Andres.

Sprunghaft sei im Tourismus die Nachfrage nach Outdoor-Aktivitäten gestiegen, Fahrradfahren und Camping standen in den Sommermonaten hoch im Kurs, so Harald Wanger. Damit rechne die HMT auch im kommenden Jahr – das konventionelle Reiseverhalten im Städtetourismus und das Veranstaltungsgeschäft in den Hallen werde sich erst langsam stabilisieren.

Der Reisekatalog „Phantastische Auszeiten für 2021” ist vor Weihnachten pünktlich fertig und wird über die Newsletter und Social Media beworben. Neue Angebote tragen den veränderten Nachfragetrends Rechnung – naturnahe Angebote, Elektromobilität und Reisen für Individualisten gewinnen an Bedeutung. Mit der Arbeitsgemeinschaft „9-Städte in Niedersachsen + 2” richtet sich das Marketing im ersten Halbjahr 2021 schwerpunktmäßig auf Inlandsgäste; erst phasenverzögert folgt die Ansprache ausländischer Gäste. Großveranstaltungen plant die HMT für die zweite Jahreshälfte wieder ein. Für die erste Jahreshälfte sind weitere Maßnahmen in Arbeit, die Handel und Gastronomie stützen sollen.