Wahrscheinlich habt ihr noch nie von Andrew Belle gehört. Aber sehr wahrscheinlich kennt ihr seinen Song „In My Veins“ aus dem Jahr 2010. Wie kommt das? Hat die Nummer doch weder eine Chartplatzierung vorzuweisen noch ist sie präsent im Radio. Sie profitiert von etwas gänzlich Anderem: von US-Serien. Schlüsselszenen – er kriegt sie oder sie tröstet ihn oder er geht für immer oder sie trauert um jemanden – werden gerne mit „In My Veins“ unterlegt. Man hört den Chorus zum Beispiel bei „Grey’s Anatomy“, „Castle“ oder „Cold Case“.

Und wer kann es den Machern verübeln? Dieser Song ist einfach so passend für emotionale Momente. Ich bin auf ihn im Rahmen meiner „Castle“-Obsession gestoßen. Habe ich euch davon überhaupt schon erzählt? Ich war ja nie ein sogenannter Binge-Watcher, hatte in den vergangenen 30 Jahren vielleicht drei Serien, die ich regelmäßig verfolgte. Emotional gepackt haben mich nur die „Gilmore Girls“, die ich mir bis heute gern anschaue (habe natürlich alle Staffeln auf DVD!).

Ich bin weder Netflix-Abonnent noch habe ich Amazon Prime, Sky hatte ich früher einmal gebucht, als es noch Premiere hieß und die englische Fußball-Liga übertrug. Aber dass ich Serien folgen- oder staffelweise am Stück verschlungen hätte – nope. Wo bleibt denn da die Vorfreude? Ich möchte es nicht missen, einem Montag etwas Gutes abgewinnen zu können, weil ich weiß, abends gibt es zwei Folgen „Castle“ auf Sixx.

Nun muss ich aber auch gestehen: Es hat mir nicht gereicht. Auch nicht, dass es diese Serie täglich auf Kabel1 gibt (und samstags in der Wiederholung fünf Folgen am Stück). Vielleicht verstehe ich euch Binge-Watcher doch ein wenig. Jedenfalls habe ich mir alle acht Staffeln auf DVD zugelegt, bin da jetzt zum zweiten Mal in Staffel 3 angekommen, Sixx zeigt momentan Staffel 5 und Kabel1 Staffel 2. So. Frauen sind eben Multi-Tasker!

Aber zurück zu „In My Veins“. Der Song an sich ist gar nicht so spektakulär. Schön, ja. Sehr ruhig, mit einfachen Gitarrengriffen aufgebaut, dazu Andrew Belles wirklich tolle Stimme. Aber die Nummer plätschert eben so dahin. Es gibt keine Hochs und Tiefs, keine Steigerung. Da singt nur ein scheinbar gebrochener Mann:

„Nothin‘ goes as planned
Everything will break
People say goodbye
In their own special way“

Vielleicht ist das der Grund, warum die Nummer für sich genommen weniger erfolgreich war. Sie wirkt nur mit visuellen Reizen, mit herzzerreißenden Szenen aus Serien. Zum Beispiel wenn Rick Castle Kate Beckett um einen Tanz bittet. Die Frauenstimme, die sich im zweiten Teil des Songs zu der von Andrew Belle gesellt, ist übrigens jene von Erin McCarley. Auch noch nie gehört? Auch sie ist Singer/Songwriter, stammt aus Texas und besuchte dort die Baylor University. Woher kennen wir diese Schule? Richtig, aus der Einrichtungsshow „Fixer Upper“! Zählt das auch als Serie? Dann bin ich vielleicht doch mehr Binge-Watcher als ich dachte…