Wie oft werde ich diesen Song gehört haben, wie viele Male begann ich, um die Welt zu weinen, wenn Maffays lederne Stimme die Mahnung vor der Apokalypse in den Himmel zeichnete, als wenn blutrote Graffitis auf graue Vorstadtwände gesprüht werden. Ich weiß die Antwort darauf nicht; ich weiß allein, dass mir „Eiszeit“ ungebrochen in den Augen brennt, weil ein Sprengkopf immer irgendwo ein letztes Ziel hat.

1982 war ich ein Kind und mochte die Melodie. Ein paar Jahre später begriff ich das Ausmaß seiner Bedeutung, nicht allein auf Krieg begrenzt, sondern Umweltzerstörung, Gier und Maßlosigkeit mit sich tragend. Wenn wir nun fast vierzig Jahre und einige rockende Neueinspielungen später zu der Erkenntnis gelangen, dass die „Eiszeit“ anhält, wird ein Lied zum Spiegel jenes Verlusts, keinen Schritt vorangekommen zu sein.

„Und aus den Quellen schießt
Glut so hoch bis zum Saturn.
Atlantis kommt jetzt hoch.
Doch wo bleibt der Mensch, der sich daran freut.“

Es ist Schnee gefallen im Weserbergland. Das weiße Kleid löst Spannungen in uns, die Kälte poliert unser Innerstes. Wir brauchen diese Eiszeit, in der aufgeplusterte Amseln nach fettreichem Futter Ausschau halten und das Feuer im Kamin gescheit brennt. Dieses Eis, das uns umringt, ist rein und klug, weil es friedvoll als Schnee zu Boden fiel; selbst wenn es vom Winde verweht wird, erkennen wir darin den leisen Wohlklang, dem unser Herz am nächsten sonnigen Tag unter vergissmeinnichtblauem Himmel zuhört.

Maffays „Eiszeit“ ist der Gegenentwurf dieses Friedens: Ein Lied, das von der Welten Ende kündet, wenn die Meere untergehen und die Erde bricht, weil ein Idiot den roten Knopf gedrückt hat, Raketen starten und Bomben explodieren. Ich habe nie versucht, die Sache auf einen bestimmten Idioten zu reduzieren, weil es mehrere gibt und auch jeder von uns diesen Schatten mit sich trägt, der gefährlich düstert, wenn wir nicht ständig gegen ihn kämpfen.

Es ist nicht die Zeit für moralinsaure Predigten. Was ich wichtig finde, ist, dass sich jeder Einzelne einer gedeihlicheren Entwicklung befleißige, die seinen inneren Frieden wahrt, um daraus einen äußeren, sichtbaren Frieden wachsen zu lassen. Bei Menschen, die ein selektives Verhältnis zur Realität mit wahnhaftem Anteil haben, wird’s natürlich schwierig. Die verstehen bei Maffays „Eiszeit“ vermutlich nur Bahnhof, leider. Aber wir anderen, Mensch, wir wissen doch, worauf es abzielt. Worauf es ankommt!

Außerdem: ein toller Song! Geschrieben mit Engagement, gespielt mit Inbrunst, geworden zum Klassiker. In jeder Version, live bisweilen auf zehn rasend starke Minuten mit mehreren Soli ausgedehnt. Eine Heißzeit!