Hameln-Pyrmont (ul). Alle 2,5 Minuten kollidiert in Deutschland laut Jagdstatistik ein Reh, ein Wildschwein oder ein Hirsch mit einem Fahrzeug. 15 Tote Fahrzeugführer, 2739 Verletzte und eine halbe Milliarde Euro Sachschaden verzeichnete das statistische Bundesamt im Jahr 2019. Die Dunkelziffer ist hoch. Etwa 99 Prozent der Wildunfälle enden mit einem Blechschaden, den die Polizei allgemein als Verkehrsunfall mit Sachschaden auflistet. Damit fehlte bisher eine Datengrundlage, um Unfallschwerpunkte durch Wildtiere zu entschärfen. Immerhin handelt es sich 2019 um 191 590 Rehe und 34 550 Wildschweine in Deutschland, die in Wildunfälle verwickelt waren.
Das Projekt Tierfund-Kataster (tierfund-kataster.de) schafft Abhilfe. Verkehrsteilnehmer können bundesweit über die Internetseite oder die kostenlose App (für Android und iOS) Wildunfälle mit Standortbestimmung eintragen. Wissenschaftler werten diese aus. Ziel ist es, den Behörden eine Grundlage zu geben, um die Straßen wildtierfreundlicher und damit sicherer zu gestalten. Auch die Entsorgung von Wildschweinen, die an der Afrikanischen Schweinepest verendet sind, lässt sich mit Eintrag in die app beschleunigen.

Für den Landkreis Hameln-Pyrmont erläutert Kreisjägermeister Jürgen Ziegler: „Zurzeit befindet sich eine Änderung des Niedersächsischen Jagdgesetzes in der Verbandsbeteiligung. In dieser Planung wird die Erreichbarkeit der Jagdausübungsberechtigten zur Entgegennahme von Unfallmeldungen durch die Polizei überarbeitet.“

Im Landkreis sind gemeinsam mit der Polizei, der Straßenverkehrsbehörde, den Straßenmeistereien, den Ordnungsämtern und dem Kreisjägermeister in zahlreichen Besprechungen Wildunfallschwerpunkte ermittelt worden. Die Jagdpächter haben Abwehrmaßnahmen durch das Anbringen von blauen Reflexionsbändern an den Leitpfosten ergriffen. Zurzeit werden weitere Maßnahmen zur Verhinderung von Wildunfällen erarbeitet. Der Kreisjägermeister weiß genau: „Unfallschwerpunkte sind die B1 zwischen Afferde und Diedersen, die K 37 zwischen Gellersen und Aerzen (hier erfolgte eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h), die Umgehungsstraße B 442 Eimbeckhausen, die Klütstraße in Hameln, die L 429 Grohnde-Lüntorf und die L 432 bei Grupenhagen.

In der Jagdbehörde des Landkreises liegen zwar die aktuellen Zahlen aus dem eher verkehrsreduzierten Corona-Vorjahr noch nicht vor, doch aus den Vorjahren lässt sich erkennen, dass der Wildtierwechsel über Straßen gefährlich ist und bleibt. Im sogenannten Streckenbericht 2018/19 wird dem Landkreis genau aufgelistet, welche Wildtierart durch Abschuss und wie viele durch Straßenverkehr – als Fallwild – ums Leben kamen. So wurden 2637 Rehe geschossen, zusätzlich starben zehn Prozent durch Verkehrsunfälle, das waren 270 Tiere! Beim Damwild gab es sechs Verkehrsunfälle, während 175 durch Jagdabschuss ihr Leben ließen. Wildschweine scheinen sich dem Verkehr anzupassen, 1399 wurden bei Jagden geschossen, 46 kamen durch Verkehrsunfälle zur Strecke. 108 Füchse wurden von Autos im Landkreis erwischt, 748 wurden bei der Jagd geschossen. Beim Dachs ist der Fallwildanteil mit 54 Tieren angegeben, der flinke Waschbär geriet in 74 Fällen unter die Räder.

Besonders risikoreich sind
die Dämmerungszeiten

30 000 Datensätze aus dem Tierfund-Kataster wurden bereits ausgewertet. Ergebnis: Rehe sind an jeder zweiten Kollision beteiligt. Gefolgt von Hase, Fuchs und Wildschwein. Besonders risikoreich ist die Zeit von 6 bis 8 Uhr morgens sowie bei Einbruch der Dunkelheit am Abend. Und im April und Mai passieren die meisten Wildunfälle mit jungen Rehböcken, die im Frühjahr eine neue Bleibe suchen. Die sind Ergebnisse, die der Deutsche Jagdverband (DJV) nach Auswertung der 30 000 Daten zwischen April 2018 und Februar 2021 jetzt bekannt gegeben hat.