Weserbergland (ey). Dem Waschbären rücken die niedersächsischen Kreisjägerschaften jetzt verstärkt auf den Pelz. Grund: Die Population ist enorm gestiegen. Weil der Waschbär als „invasive Art“ im Bereich von Amphibien, Reptilien, Brutvögeln, Fledermäusen und Großmuscheln eine Vielzahl geschützter heimischer Arten schädigt und bedroht, „bleibt nichts anderes übrig, als ihn zu erlegen“, sagt auch Hameln-Pyrmonts Kreisjägermeister Jürgen Ziegler.

In der Aufzählung bedrohter Arten wird der Aktionsradius dieses ursprünglich in den USA beheimateten Tieres überdeutlich – gewissermaßen „zu Lande, zu Wasser, und in der Luft“. In dieser genialen Anpassung und räuberischen Versiertheit des Procyon lotor liegt laut Jürgen Ziegler das Hauptproblem: „Steinmarder, Biber und viele weitere haben immer nur einen bestimmten Lebensbereich, in dem sie sich vorrangig befinden. Der Waschbär ist überall – und überall geschickt.“ Er jagt heimische Vögel, räubert die Nester, dezimiert in Brandenburg sogar die letzten Bestände der Europäischen Sumpfschildkröte und frisst auch Kröten und selten gewordene Salamander.

Mehr noch: Er folgt dem Menschen, macht sich in den Gärten zu schaffen, in denen er nachgerade in Wildschweinmanier Rasenflächen aufblättert, um Wirbellose zu finden, die ebenso zu seinem Essensplan gehören. Die Schäden können gravierend sein, so gravierend, dass die Stadtverwaltung in Hameln beziehungsweise die Kreisjägerschaft um Rat gefragt werden. „Wir stellen dann Lebendfallen auf. Das funktioniert ganz gut. Das Tier wird abtransportiert und erlegt“, so Jürgen Ziegler.

Übersteigerte Tierliebe ist hier wahrlich fehl am Platze: Es gibt keine andere Möglichkeit, dem Problem sonst Herr zu werden. Die Zahlen sind eindeutig: Die Jahresstrecke für das Jagdjahr 2021/2022 in Niedersachsen beträgt 23 322 Waschbären und ist gegenüber dem Vorjahr um rund zehn Prozent gestiegen! Bundesweit wurden über 200 000 Tiere erlegt. Allein im Landkreis Hameln-Pyrmont, so Ziegler, seien in diesem Jagdjahr 1206 Waschbären erlegt worden, davon rund die Hälfte solche Tiere, die in Wohngebieten in die Falle geraten waren.

So hübsch und niedlich dieser Bursche auch aussieht, so gefährlich ist er für heimische Arten. Ihn sich und der Natur selbst zu überlassen, „wäre ganz schlecht für das ökologische Gleichgewicht; für andere Arten, die hier wirklich heimisch sind“.
Denn „wirklich heimisch“, davon ist der pelzige Einwanderer weit entfernt. Wobei ihm zumindest ein unerwartetes Eindringen hierzulande nicht vorzuwerfen ist. Im Gegenteil: Der Waschbär kam ähnlich wie die Nutria im frühen 20. Jahrhundert als Pelzlieferant nach Deutschland. 1934 wurde er vom Preußischen Landesjagdamt gezielt in Hessen ausgesetzt.

Mittlerweile gefällt‘s ihm fast überall in Norddeutschland; er dringt weiter vor. Übrigens auch angelockt von falschem Verhalten: Essensreste aus dem Kompost, Fleischreste in der ungesicherten Biotonne, Igelfutter, einfach so auf den Rasen gestellt – da bindet sich Meister Waschpetz im übertragenen Sinne das Lätzchen um. Was mit den toten Tieren geschieht? Sie werden entsorgt. Wer trägt schon noch Pelz…