Hameln-Pyrmont (ey). Rekord-Oktober im Weserbergland – und auch im November kein Frost in Sicht. Die Folge: Der Klimawandel bringt Gewohnheiten komplett durcheinander. Im Garten wird noch fleißig gepflanzt, Autos tragen immer noch Sommerschlappen, und in der Mode, nun ja, wer mag jetzt schon an dicke Mäntel und Wollsocken denken …

Das Dilemma ist: Wir spüren Restsommer in uns, obwohl wir uns psychisch längst auf die kalte Jahreszeit eingestellt haben. Ein Widerspruch, den Helmut Fahle, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Bad Pyrmont, an einem aktuellen Beispiel sehr konkret erklären kann: „Der Herbst- und Bauernmarkt in unserer Stadt war ein voller Erfolg; die Menschen haben das sommerliche Wetter genossen… Die Nachfrage nach Modeartikeln aus der Herbst/Winter-Kollektion ist natürlich weitaus geringer als an kalten Tagen.“

Die Modebranche habe damit stets zu kämpfen gehabt, „weil sie ja gewissermaßen ihrer Zeit immer voraus ist, denn schon im August, wenn‘s noch heiß ist, treffen schon die ersten Kollektionen für Herbst und Winter ein“, so Helmut Fahle weiter – aber im zurückliegenden Oktober sei das Wetter schon extrem warm gewesen. Es gebe aber keinen Grund zur Klage, denn „wenn die Auswahl am größten ist, kommen viele Kunden auch an warmen Tagen, um für die kalten vorzusorgen – und die anderen kommen später“.

Im Wandel der Zeit auch das Gärtnern. Matthias Großmann, Inhaber der Stauden-Gärtnerei Junge in Wehrbergen, sieht keinen deutlichen Schwund des Interesses an Pflanzen. „Dass Landschaftsgärtner bis weit in den November und sogar Dezember hinein Gehölze und Stauden ordern, ist normal. Dass aber auch so viele private Gartenbesitzer noch immer Pflanzen kaufen und aktiv an der Gestaltung ihres Gartens arbeiten, war früher in dieser Zeit nicht mehr so häufig der Fall – das hat sich erst in den vergangenen Jahren so entwickelt und in diesem Jahr in besonderem Maße.“ Die Gartensaison verschiebe sich nicht, sie werde länger durch den Klimawandel und mache auch Pflanzungen möglich, die früher undenkbar gewesen wären. „Und es ist ein komisches Gefühl, bei fast sommerlichen Temperaturen schon Wintervorbereitungen zu treffen, um Pflanzen zu schützen, die der Kälte nicht standhalten, während ringsumher plötzlich wieder Cambridge-Storchschnabel aufblüht“, so Matthias Großmann. Eine Kälte, die aber womöglich gar nicht mehr oder nur sehr selten noch eintritt …

Seltsame Sommergefühle auch in Sachen Mobilität. Zwar haben die meisten Autofahrer ihre Winterreifen schon aufziehen lassen, weil Fachwerkstätten wie die von Florian Weber (Fahrzeugtechnik Weber in Coppenbrügge) die Kunden mit einem Schreiben frühzeitig daran erinnern, „aber es gibt schon noch einige, die aufgrund der hohen Temperaturen bislang keinen Gedanken daran verschwendet haben, die Sommer- gegen die Winterpneus auszutauschen“, so der Fachmann. Dabei sei das frühzeitige Umstecken nicht nur aus Sicherheitsgründen ratsam, weil der Grip von Winterreifen schon bei Temperaturen um acht Grad Celsius vergleichsweise besser sei, sondern man stünde dann, wenn der Winter plötzlich hereingebrochen ist, auch nicht in der Warteschlange.

Drei Beispiele, die zeigen, wie sehr der Klimawandel sich auf das alltägliche Handeln und Leben auswirkt. Dabei steht kaum die Frage im Vordergrund, ob das eine besser oder das andere schlechter geworden ist. Zunächst einmal ist die Sache psychisch einzuordnen, und wo viele Menschen schon Probleme mit der Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit haben, dürften kaum Zweifel daran bestehen, dass uns der Klimawandel viel weitreichendere Anpassungen abfordert. Denn hier geht‘s nicht nur um eine verflixte Stunde, sondern um komplett durcheinandergewirbelte Jahreszeiten.