Nah am Schlager, yeah, ich weiß, aber wer brennenden Herzens innigst von Liebe schmettert, dem passiert das manchmal. Kommt vor, auch bei The Real Thing, wo sich die seichte Schönes-Leben-Attitüde fast unbemerkt zwischen Soul, Funk und Pop schummelte, damals, 1976, als Ray Lake, Dave Smith, Kenny Davis und Chris Amoosie mit „You to me are everything“ in den UK-Charts den Thron gestürmt hatten. Richtig: in England, nicht in den USA! Dieses Quartett, optisch in der Tat eher den Four Tops oder Jackson 5 zuzuordnen und damit perfekt in die Hitschiene von Labels wie Motown und Stax passend, schrieb damit als erste rein schwarze britische Soulfunk-Band Geschichte. Sich aus den Tiefen Liverpools ins Rampenlicht zu singen, hatten ja auch schon andere geschafft …
„You to me are everything“ sollte die einzige Nummer eins sein, die sie je zustande bringen würden; ein One-Hit-Wonder blieb das Quartett dennoch nicht. Was ich an dem Song mag, ist der Glitzereffekt, den wir Tanzenden unter der Funkelkugel auf der farblich fröhlich leuchtenden Tanzfläche erahnen. Ist nie richtig staubig geworden, höchstens angestaubt, aber mit jedem Schritt, mit jeder Drehung zu dieser Melodei verflüchtigen sich die Flusen im Nu. Und erst das Bühnenoutfit der Jungs: bisweilen von außerirdischem Reiz, blitzend und blinkend, aufgeknöpft bis zum Bauchnabel. Inhaltlich reichte der beinahe simple Singsang nur noch ein kleines Stückchen tiefer:
Oh, you to me are everything
The sweetest song
that I could sing
Oh, baby, oh, baby …
Aber simpel ist gut, in der Popmusik unverzichtbar! Und oh Baby, immer musste The Real Things Freudengesang für Lover als Autoscooter-Anbumsmusik auf Feuerwehrfesten und Kirmesveranstaltungen herhalten. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, ich glaube, Boney M und Abba sind da auch vertreten. Knuffig. Es gibt so um die zwei Dutzend Klassiker, die es bis dahin geschafft haben. Der hier gehört dazu, weil: fluffig wie Milchschaum, knisternd wie Lagerfeuer und federleicht wie ein Tagfalter auf der Blüte des Sommerflieders. Ich liebe es.
Oh Baby. Oh Baby.