Bad Pyrmont. „Wenn ich mit jemandem nicht mehr vertrauensvoll zusammenarbeiten kann, muss ich die Reißleine ziehen“, sagt Jörg Schade. Deshalb beende die Pyrmonter Theater Companie nun die Zusammenarbeit mit dem Staatsbad. Jetzt nimmt das Staatsbad Stellung.

Ihr „Theater im Casino“ hat die Theater Companie bereits geräumt. Jetzt steht der frühere Roulettesaal wieder genauso leer wie 2011, als der damalige Kurdirektor Heinz-Hermann Blome ihn dem Ensemble als Dauer-Spielort zur Verfügung stellte. In der Hoffnung auf einen baldigen Neustart an einem anderen Ort. Oder in mehreren Spielstätten. Denn eine weitere Zusammenarbeit mit dem Staatsbad schließt die Companie-Spitze bis auf Weiteres aus.

Das bedeutet: Nach der Schließung des Kurtheaters 2018 sowie des Konzerthauses im März 2022 ist jetzt auch das Casino-Theater Geschichte. Und den Pyrmonter Schlosshof wird die Truppe in der Open-Air-Saison ebenfalls nicht mehr bespielen. Damit büßt das Staatsbad mehr als ein Dutzend Live-Aufführungen ein, die sein Veranstaltungsprogramm dem ursprünglichen Plan nach 2023 noch maßgeblicher geprägt hätten als in der Vergangenheit.

„Dieser Schritt ist uns nicht leichtgefallen“, sagen Jörg Schade und Carl-Herbert Braun. Die Bedingungen für die Arbeit der Companie seien jedoch immer weiter verschlechtert worden. Zugleich habe man sich behandelt gefühlt „wie Angestellte“. Zum Verständnis: Die Bad Pyrmonter Theater Companie ist eine freie Theatergruppe, die ohne nennenswerte feste staatliche Zuschüsse auskommt. Die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem Staatsbad fußte laut Schade auf dem Umstand, dass alle etwas davon hatten: Die Profis der Theatertruppe machten ein auf Bad Pyrmont zugeschnittenes Programm, und das Staatsbad kümmerte sich um die Logistik wie etwa den Aufbau im Schlosshof. Und auch Bad Pyrmonts Touristikbranche profitierte: „2022 haben wir für die Übernachtungen des Ensembles 26 000 Euro ausgegeben“, rechnet Schade vor. Den Umsatz der Companie beziffert er auf 4,2 Millionen Euro in 26 Jahren.

Doch in jüngerer Zeit sahen sich die Künstler offenbar zunehmend gegängelt. Auslöser soll eine Ablehnung des Staatsbad-Geschäftsführers gewesen sein, der Companie den großen Schlosshof im Sommer ’23 wieder für ein großes Publikum zur Verfügung zu stellen. Dr. Maik Fischer habe das als zu riskant bezeichnet, berichten die Theatermacher. Und betonen: „Dabei tragen wir doch das viel größere Risiko.“ Das verordnete Besucher-Limit hätte bedeutet: Sie hätten pro Vorstellung nur maximal 180 Karten verkaufen dürfen – was größere Inszenierungen mit entsprechenden Produktionskosten von vornherein verhindert hätte. Denn: „180 Zuschauer sind nicht kostendeckend.“ Und: Kein Ensemble schickt gern Besucher an der Abendkasse wieder heim, obwohl genug Platz da wäre. „Wir hatten zuletzt durchschnittlich 300 Besucher“, überschlägt Jörg Schade.

Zudem beklagt die Companie-Spitze, der Staatsbad-Chef habe sowohl die Höhe ihres Werbe-Etats als auch die moderaten Eintrittsgelder kritisiert. Solche Eingriffe in die Autonomie hätten das Maß des Ertragbaren überschritten, sagt Jörg Schade. „Ich habe es nicht mehr ausgehalten“, räumt er ein – und betont: „Wir haben keinen Fürsten mehr. Und keine Untertanen.“

„Wir akzeptieren den Schritt und bedanken uns für die langjährige, gute Zusammenarbeit“, sagt Kurdirektor und Geschäftsführer des Staatsbades Pyrmont und des Kuratorium Schloss, Dr. Maik Fischer. Das Staatsbad Pyrmont als Mitglied des Kuratorium Schloss Bad Pyrmont habe die Pyrmonter Theater Companie in den vergangenen Jahren immer finanziell, personell, logistisch und technisch unterstützt. Dazu zählten unter anderem der Bühnenauf- und -abbau in den Schlosshöfen, die Abwicklung des Ticketverkaufs und der Abendkassen, die Betreuung der Veranstaltungstechnik an den Spielabenden, das Einlasspersonal, das Sanitär- und Reinigungspersonal bei den Veranstaltungen. Dazu kam die zur Verfügung gestellte technische Ausstattung und die Stellung eines geschulten Veranstaltungsleiters entsprechend den behördlichen Vorgaben.

„Wir haben der Theater Companie immer gern geholfen. Wir haben auch immer Lösungen gefunden, wenn sie in schwierige Liquiditätssituationen geraten ist. Doch in den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen durch verschiedenste Faktoren wie Brandschutz und Corona stark verändert. Das Staatsbad ist eine GmbH und zudem als Landesbetrieb an die Landeshaushaltsordnung gebunden. Das Staatsbad ist demnach der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit verpflichtet“, so Dr. Maik Fischer.

Weiter: „Vor dem Hintergrund empfinde ich es als verpflichtend und richtig, wenn einer der Geldgeber aus dem Kuratorium Schloss vom Zuwendungsempfänger auch die gebotene Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Kostenaufstellung einfordert und Antworten auf Fragen zu den Planungsprämissen erhält. Schließlich arbeiten wir hier nicht mit Privatkapital, sondern mit öffentlichen Mitteln. Das Staatsbad kann und muss jederzeit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von Mittelempfängern verlangen. Wenn Herr Schade dann von einer ‚Behandlung wie Angestellte‘ spricht, finde ich es sehr ungewöhnlich. Der Etat für den Sommer 2023 ist zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht abschließend vom Kuratorium Schloss beschlossen worden“, so der Kurdirektor.

Befremdlich findet der Staatsbad-Geschäftsführer auch, dass Jörg Schade behauptet, Herr Fischer hätte es abgelehnt, der Companie den großen Schlosshof für den Sommer 2023 zur Verfügung zu stellen. „Das ist schlichtweg falsch“, so Dr. Fischer. Er habe lediglich darauf hingewiesen, dass eine Bespielung des großen Schlosshofes mit über 10 Veranstaltungen das vorhandene Budget des Kuratoriums sprengt. Denn das Kuratorium trägt anteilig die Kosten für Brandsicherheit, Security und Sanitäter bei den Vorstellungen der Companie, währenddessen diese Kosten bei den Staatsbad-eigenen Veranstaltungen miteinkalkuliert und damit im Zuge der Vollkostenrechnung kostendeckend über die Erlöse abgedeckt werden. Weiterhin sind die Besucherzahlen in 2021 und 2022 um durchschnittlich 50% entgegen der eingereichten Planungen gesunken und belasteten wiederholt die Mittelgeber im Kuratorium. Dabei muss auch als eine wesentliche Ursache erwähnt werden, dass die Pyrmonter Theater Companie in 2022 eine Planung für den Kleinen Schlosshof einreichte, allerdings kurzerhand dann doch den Großen Schlosshof mit den höheren Fixkosten bespielte. Deshalb sieht Dr. Fischer hier: „Ein ‚Weiter so‘ und Ignoranz einer vernünftigen Risikoeinschätzung der unsicheren Besucher-Nachfrageplanung darf es so nicht geben, dieses Vorgehen ist höchst unverantwortlich. Daher hatte ich mich um die Wiederbespielbarkeit des Kleinen Schlosshofs gekümmert, dieser Prozess zur Freigabe von den Behörden wurde von mir angeschoben. Der Kleine Schlosshof bietet bis ca. 180 Besuchern einmalige Erlebnisse für Veranstaltungen. Hier besteht auch nur ein sehr geringes Kostenrisiko.“

Im Kuratorium wurden in der Kuratoriumssitzung Mitte Dezember der Wirtschaftsplan 2023 beraten. Hier wurde auch die von der Pyrmonter Theater Companie eingereichte Planungsvariante mit insgesamt 14 Veranstaltungen behandelt, davon drei im Großen Schlosshof und 11 im Kleinen Schlosshof. Die Variante mit zehn Veranstaltungen im großen Schlosshof wurde erst nach der Jahressitzung von Herrn Schade eingereicht.

Die Sicherheitsauflagen, die seit 2015 auf der Schlossinsel gelten und die die Theater Companie vehement kritisiert, resultieren aus der Niedersächsischen Versammlungsstätten-Verordnung und den besonderen Gegebenheiten auf der Schlossinsel. Die Auflagen wurden nach Gutachtervorgaben behördlich erteilt und sind bindend bei der Durchführung von Veranstaltungen. „Von keinem der Akteure wie Staatsbad oder Companie können diese Vorgaben beeinflusst werden. So bedauernswert diese Vorgaben auch sind, wir müssen uns alle daran halten. Doch wäre die Schlossinsel nach der Brandschutzsanierung nicht als Versammlungsstätte anerkannt worden, hätten seit 2015 gar keine Veranstaltungen mehr auf der Schlossinsel stattfinden dürfen. Und auch die darauffolgenden Baumaßnahmen auf der Schlossinsel und dem Schlossinnenhof durch das Staatliche Baumanagement schafften erst die Voraussetzungen weiterhin ein attraktiver Spielort zu sein. Leider wurden seitens Herrn Schade regelmäßig diese Anstrengungen als störend bezeichnet, wo doch großer Dank an die engagierten Personen und Behörden respektvoll gewesen wäre.“

In der Information der Pyrmonter Theater Companie zur Mitgliederversammlung des Fördervereins wird die absolut falsche Behauptung fett gedruckt wiedergegeben ‚Das Staatsbad möchte sich nun baldmöglichst aus dem Kuratorium Schloss (…) zurückziehen.‘ Das Kuratorium Schloss ist eine Aufwandsgesellschaft von Staatsbad, Stadt und Landkreis zur Bewirtschaftung der Schlossinsel. Die Pyrmonter Theater Companie ist kein Kuratoriumsmitglied. Der Hauptzweck des Kuratoriums sind allgemein anfallende Kosten wie Hausmeistertätigkeiten, Energiekosten und Reinigungskosten jeweils zu einem Drittel zu tragen, sowie dazu ihre jeweiligen Geschäftsbetriebe in kostenrechnerischer Eigenverantwortung zu verfolgen wie beispielsweise das Museum von der Stadt Bad Pyrmont.

Dass die wirtschaftliche Situation nach Corona für viele Unternehmen in der Kulturbranche, aber auch aus anderen Bereichen sehr viel schwieriger ist, ist nachvollziehbar. „Die veränderten Rahmenbedingungen, aber auch ein anderes Besucherverhalten kann man nur mit Anpassungen begegnen. Deshalb finde ich es sehr gut, dass sich die Pyrmonter Theater Companie Hilfe und Unterstützung gesucht hat und einen städtischen Zuschuss in Höhe von 15.000 Euro erhalten soll. Da die Companie auch ein Wirtschaftsunternehmen ist, ist es auch verständlich, wenn sie sich andere Spielorte anschauen, die für ihre betriebswirtschaftliche Logik einfach günstiger sind“, so Fischer.

Ungewöhnlich findet es der Kurdirektor, wie die Aufkündigung der Zusammenarbeit von der Companie vollzogen wurde. Ohne vorher mit der Geschäftsführung und Kurdirektion des Staatsbades, dem maßgeblichen Ressourcen-Geber zu sprechen, wurden die Räumlichkeiten geräumt, die Öffentlichkeit informiert und dann in einem Zweizeiler an Herrn Fischer die Zusammenarbeit gekündigt – ohne Begründung. Erst über Umwege durch den Mitgliederbrief des Fördervereins und durch die Fragen der Presse habe der Kurdirektor von den Gründen erfahren. Die Grundregeln des Miteinanders sieht der Kurdirektor hier eindeutig verletzt: „Statt mit unnötigen Inszenierungen wie dieser hier Unwahrheiten gegenüber der Öffentlichkeit zu verbreiten, hätte ich mir einen konstruktiven Umgang mit den sich verändernden Rahmenbedingungen gewünscht.“ Enttäuscht über die Aussagen der Companie ist auch Staatsbad-Veranstaltungsleiterin Silke Schauer. Die Companie kritisierte vor der Presse, dass die überreichten Blumen der letzten Premiere in einer Kostenkalkulation abgerechnet wurden. „Das war ein Fehler von uns. Ich hätte mir gewünscht, dass Jörg Schade einfach zum Hörer gegriffen und angerufen hätte. Dann hätten wir es sehr schnell aufklären und das von ihm bezeichnete ,Kuriosa‘ beseitigen können, denn die jährlich überreichten Blumen waren immer eine Dankes-Geste von Seiten des Kuratoriums“, so Schauer.

Und noch eine Aussage der Pyrmonter Theater Companie möchten Fischer und Schauer so nicht stehen lassen. In dem Mitgliederbrief wird mehrfach das “Gesund&Glücklich Erlebnisprogramm“ herabgestuft. „Wir haben uns mit unserem Gesundheitskulturbereich bemüht, schon ganz früh wieder in der Pandemiezeit Kultur anzubieten. Und ich finde es respektlos den Protagonisten gegenüber wie zum Beispiel der Musikschule Bad Pyrmont, sie im Vergleich zur Theater Companie so negativ zu bewerten“, so Fischer. „Unsere regionalen und nationalen KünstlerInnen treten bei anderen renommierten Veranstaltungen deutschlandweit auf und haben in den vergangenen drei Jahren bis zu 400 Besucher vor die Konzertmuschel gelockt. Zum Beispiel Sascha Korf, Werner Momsen, Desimo, und Siegfried & Joy um nur einige zu nennen“, so Silke Schauer.

Zum Thema Gästeankünfte und Übernachtungen im Kur- und Gesundheitstourismus sagt Kurdirektor Fischer, dass kulturelle Erlebnisse eine Rolle spielen, was die Bad Pyrmont Tourismus immer wieder auch beim Fürstentreff, der Landpartie, dem kleinen Fest und dem Goldenen Sonntag sieht. Veranstaltungen, die es weiterhin geben wird. Der primäre Gesellschaftszweck des Staatsbades ist eindeutig die Gesundheitsförderung der Kurgäste. „Es wird natürlich auch weiterhin ein kurörtliches angemessenes Kulturangebot vom Staatsbad geben, auch wenn die Pyrmonter Theater Companie jetzt an anderen Orten spielt“, sagt Kurdirektor Dr. Maik Fischer. Dafür wünsche er ihr alles Gute in der Zukunft.