Hameln-Pyrmont (mes/ey). Die Covid-19-Pandemie schlägt mit voller Härte durch. Auf Messers Schneide stehen auch die Gottesdienste in der Advents- und Weihnachtszeit! Mit kreativen Ideen will der evangelisch-lutherische Kirchenkreis Hameln-Pyrmont das Gemeinschaftsgefühl stärken. Ein Stimmungsbild in Krisenzeiten.

Die wichtigste Aussage von Superintendent Philipp Meyer gleich vorweg: „Ja, es wird Weihnachtsgottesdienste geben!“ Nur eben in anderer Form. Zahlreiche Pläne und Ideen habe man in der Hinterhand – sie könnten auch relativ kurzfristig umgesetzt werden. Immerhin habe der Kirchenkreis rund 3500 ehrenamtliche Mitarbeiter, die die aktuelle Krise als Herausforderung sehen und anpacken, wo es geht.

Was genau an Heiligabend und an den beiden Weihnachtsfeiertagen in und um den Kirchen herum geschieht, das entscheidet jede Kirchengemeinde selbst. Es gebe etliche Initiativen, wie alternative Gottesdienste gestaltet werden können. „Wir beraten und überlegen gemeinsam; aber wir wissen ja alle nicht, wo es mit der Pandemie hingeht“, räumt Philipp Meyer ein. Sollte die Situation hinsichtlich des Infektionsgeschehens im Dezember so dramatisch sein wie zum Beispiel im März, würden vor allem Online-Formate angeboten werden. „Das wäre zum Beispiel ein Plan B: Gottesdienste über Youtube, wie wir es Ostern schon gemacht haben.“

Generell könne er sich zwei Varianten vorstellen: zum einen „One-to-many“-Formate, bei denen ein zentraler Inhalt produziert und entweder als Live-Schaltung oder aufgezeichnet über die sozialen Medien gesendet wird, zum Beispiel über facebook. Allerdings sei diese Möglichkeit sehr aufwendig und teuer. Außerdem gebe es mit ARD und ZDF ohnehin Sender, die diese Form des Gottesdienstes im Fernsehen übertragen.

Die andere Option, die nach Meyer „gut funktioniert“, laute „many to many“. So wie beispielsweise Gremiensitzungen über das Videoformat „zoom“ abgehalten werden, könnte das Angebot dann in einem virtuellen Raum ablaufen. Darüber hinaus kann sich der Superintendent auch Gottesdienste an Straßenecken vorstellen. „Himmelfahrt haben wir das gemacht, mittels Gummiwagen und Trecker“, schmunzelt er.

Des Weiteren gebe es Überlegungen, Weihnachten gemeinsam unter freiem Himmel zu feiern. „In Rinteln beispielsweise wird jedes Jahr an Heiligabend ein Gottesdienst open-air auf dem Marktplatz ausgerichtet, der stets sehr gut besucht ist.“ Etwas Ähnliches stelle man sich für den Münsterkirchhof in Hameln vor. Damit die notwendigen Abstände eingehalten werden, sollen die Stehplätze markiert werden.

Weiterhin werde es aber auch in vereinzelten Kirchen Gottesdienste geben. Für Heiligabend und die Weihnachtsfeiertage würden dazu einfach mehr Termine angesetzt – bis zu sechs Uhrzeiten an einem Tag in einer Gemeinde, meint Philipp Meyer. Da die Platzzahl dabei begrenzt ist, müssten sich Interessierte vorab Platz- beziehungsweise Eintrittskarten besorgen, die natürlich kostenlos seien.

Susanne Behnke, Pastorin der Kirchengemeinde Fuhlen, ist erschüttert, gleich in zweierlei Hinsicht. Weihnachten ohne Gottesdienst und Gesang, „das will ich mir gar nicht vorstellen“. Sie werde alles in ihrer Macht Stehende tun, um das zu verhindern. „Wir hoffen, Heiligabend im Pfarrgarten in Fuhlen zwei Open-Air-Krippenspiel-Gottesdienste feiern zu können – um 15 und 16.30 Uhr.“

Aber da ist noch etwas anderes, das die Pastorin beschäftigt. „Es ist jetzt schon so viel Leid gerade über unsere Alten und Kranken in ihren letzten Lebenswochen und Monaten gekommen, dass ich das Argument, die Maßnahmen seien zu ihrem Schutz da, als zunehmend zynisch sehe. In Trauergesprächen habe ich erfahren, dass sowohl Bewohner als auch ihre Angehörigen die Besuchsverbote in den Heimen als wie im Gefängnis erlebt haben! Menschen von ihren Liebsten zu isolieren, mag in Augenblicken der Gefahr notwendig sein. Auf Dauer ist es unmenschlich.“

Die täglich verkündeten Fallzahlen müssten auf den Prüfstand. Bei dem aktuell massiven Testaufkommen werde ihrer Meinung nach nicht differenziert, ob eine positiv getestete Person überhaupt infiziert oder erkrankt ist. Das könne der verwendete PCR-Test nicht leisten. Hier liege eine Irreführung in der Interpretation der Zahlen vor; so stelle es die Diplom-Psychologin Daniela Prousa fest. „Will ich etwas dafür tun, dass unsere Familien zu Weihnachten nicht weiter isoliert werden und unsere Gottesdienste der ’Cancel Culture‘ zum Opfer fallen, fordere ich unsere Politik und die Medien auf, einen breiten wissenschaftlichen Diskurs zur Frage der ’Fallzahlen‘ zuzulassen und mit der Strategie der Panikmache aufzuhören!“

Gottesdienste auf der Straße – und eine Kerze im Fenster

Gerold Lange-Kabitz, Pastor der Kirchengemeinde Zum Heiligen Kreuz im Klütviertel Hamelns, sieht in dieser für alle schweren Zeit auch neue Chancen. „Die Geburt Jesu war ja seinerzeit alles andere als eine besinnlich-gemütliche Angelegenheit. Um ein Haar wäre Jesus auf der Straße geboren worden und die Hirten waren damals Menschen, die die meiste Zeit draußen leben mussten. Warum sollten wir nicht auf der Straße Gottesdienst feiern und uns dabei bewusst machen, wie wenig selbstverständlich für viele Menschen auf der Welt ein Dach über dem Kopf ist?“

Die Pandemie mache uns Menschen unsere Verletzlichkeit besonders bewusst. Für ihn, Pastor Lange-Kabitz, sei „Weihnachten auf der Straße“ eine Chance. „Im Hamelner Klütviertel wollen wir in diesem Jahr an verschiedenen Orten draußen feiern. Und wenn alles abgesagt werden müsste und alle zu Hause bleiben müssten, könnten alle zur selben Zeit ein Licht in ihr Fenster stellen oder ich halte mit einer mobilen Box Straßenecken-Predigten … wer weiß.“