Weserbergland (ey/sar/ul). Die vermutlich einzige weite Reise, die wir in diesem Jahr unternehmen können, führt durch den eigenen Garten. Er ist wie eine Insel, ein Eiland, das eine Vielfalt bietet, die weltumspannend ist. Denn es gibt so unendlich viele Pflanzen, deren Heimat nicht hier im Weserbergland, nicht hier in Deutschland liegt, sondern weit entfernt. Schauen wir in die großen Blütenköpfe der Rhododendren, erblicken wir ein Stück Flora aus Japan, China und Tibet. Atmen wir den Wohlgeruch des Gewöhnlichen Flieders (Syringa vulgaris), dann spüren wir den Duft Südosteuropas. Blicken wir auf den poetisch anmutenden Flor der Akelei (Aquilegia), sollten wir daran denken, dass die Heimat dieser verlässlichen Staude Nord-Afrika und der Kaukasus ist.

Und so reiht sich eine Gartenschönheit an die nächste, deren Heimat in einem weit entfernten Land liegt, die wir in diesen Zeiten, in denen die Corona-Pandemie die Welt noch immer im Griff hat, nahe bei uns spüren, näher als jemals zuvor. Denn wir sehnen uns nach Normalität, und zu dieser Normalität gehört das Fernweh. Der Garten ist imstande, es zu heilen.

Kein Sommer am Meer, kein fröhliches Sonnenbaden am Strand. Keine Wanderung durch die Berge, kein tiefes Durchatmen in klarer Alpenluft. Viele Hameln-Pyrmonter sind sicher traurig, nicht in den Urlaub fahren oder fliegen zu können. Positiver Nebeneffekt: Der CO2-Ausstoß sinkt, die Umwelt profitiert von den Reiseeinschränkungen. Gartenbesitzer sind jetzt natürlich klar im Vorteil, denn sie schaffen sich ihre Urlaubsoase und machen es sich jetzt erst recht schön, ob in der Kolonie, wo sie einen Schrebergarten gepachtet haben, oder rund ums eigene Haus.

Gärtnereien, Blumen- und Baumärkte vermelden einen riesigen Zulauf von Garten- und Grundstücksbesitzern, deren Gartenreise im Sinne eines Urlaubs zu Hause längst begonnen hat. Henrik Reimann, Chef des Hagebaumarktes Honig in Hameln, kann das bestätigen. Zwar seien April und Mai schon immer die starken Gartenmonate, doch im Vergleich zu den Vorjahren sei die Nachfrage in diesem Jahr merklich höher. Besonders sei ihm das im Bereich Außen- und Innenfarben aufgefallen. „Die Menschen haben jetzt mehr Zeit zum Renovieren“, sagt Henrik Reimann.
Tatsächlich scheinen viele die unfreiwillige Entschleunigung zu nutzen, um die eigenen vier Wände und den Garten wieder auf Vordermann zu bringen. Eine besonders starke Nachfrage nach Strandkörben und Terrassendecks hat Thomas Müller, Chef von Holz-Müller in Hameln, festgestellt: „Die sind bei den Kunden sehr begehrt.“ Durch das schöne Frühlingswetter seien die Menschen häufiger in ihren Gärten gewesen und hätten gesehen, was alles verändert oder erneuert werden kann. Thomas Müller freut sich nicht nur über das gute Geschäft, sondern vor allem darüber, dass die Kunden sehr diszipliniert mit den Corona-Sicherheitsmaßnahmen umgehen würden. „Das ist eine ganz andere Akzeptanz als in den Anfangstagen“, sagt er.

Auch in Kleingärten boomt es jetzt. Renate Eccles vom Bezirksverband Hameln der Kleingärtner e.V. bestätigt die hohe Nachfrage nach Kleingärten seit der Corona-Pandemie. „Kleingärten werden gesucht wie Hunde, das ist gut für uns. Die Leute wollen raus, sie wollen sich sinnvoll beschäftigen. Und sie wollen auch, dass sich ihre Kinder an der frischen Luft bewegen.“
Für Kleingärten gab es keine Corona-Sperren. Allerdings konnten die sonst üblichen und vertraglich verpflichteten Gemeinschaftsaktionen zur Pflege der Anlage und Instandhaltung des gemeinsamen Vereinshauses bisher nicht wie gewohnt stattfinden. In der Kleingartenkolonie am Ohrberg fand jetzt die erste Gemeinschaftsaktion mit zehn Mitgliedern statt. Das musste genau koordiniert werden, immer nur zwei Personen konnten gemeinsam unter Wahrung der Abstandsregeln zusammenarbeiten. „Das betraf das Schneiden von Hecken, aber auch die Wege“, so Eccles, „müssen dringend gesäubert werden. Und auch das Vereinsheim bedarf der Gemeinschaftsarbeit. Da sind wir jetzt im Verzug von zwei Monaten. Aber, da die Leute jetzt noch Zeit haben, werden wir das nachholen.“

Der Bezirksverband weiß, dass alle Kleingärten derzeit einen guten Zulauf haben und die Nachfrage teilweise nicht mehr decken können. So geht es der Kolonie am Ohrberg und am Königsstuhl. Auch eine andere Anlage hat sieben Parzellen verpachten können. Eccles hofft, dass das Interesse an Kleingärten anhält und auch nach der Corona-Krise die Gärten weiterhin genutzt werden.

Übrigens: Wir starten demnächst eine tolle Foto-Aktion zum Thema Garten. Mehr in der nächsten Ausgabe!