Weserbergland (mes). Alles begann in einem Hinterzimmer. Damals, Anfang der 1990er-Jahre, traf sich eine illustre Truppe regelmäßig in nicht genutzten Räumen an der Hamelner Bahnhofstraße. Unter den Visionären: Ulla Behrens, Karin Seifert, Pete Kulz, Ulrich Schlieker, Carsten Holexa, Joachim Stracke, Achim Krause, Henri  John und Konrad Drehmann. Ziel der Zusammenkünfte war es, einen lokalen Radiosender für Hameln und Umgebung ins Leben zu rufen. Diesen November feiert Radio Aktiv sein 25-jähriges Jubiläum. Der Sender gehört mittlerweile zum Alltagsleben der Hameln-Pyrmonter. Ein Blick zurück.

Im November 1996 fiel der Startschuss für Radio Aktiv mit großer Eröffnung in der Sumpfblume. Doch bis dahin war es ein langer Weg. Denn bereits Jahre vorher fanden die ersten Gespräche statt, wurde überlegt, „was man radiotechnisch so machen kann“, erinnert sich Joachim Stracke. Als es noch keine Lizenz gab, haben die engagierten Aktiven  einfach Telefonradio gemacht. Stracke erklärt: „Es wurden kurze Beiträge produziert, auf einen Anrufbeantworter gesprochen und Interessierte konnten dann anrufen und sie abhören.“

Lokalfunk habe es damals in Niedersachsen noch nicht gegeben, da es keine gesetzliche Grundlage gab. „Wir sind 1991 in den Süden der Republik gefahren, um uns dortige Radios anzugucken“, erzählt Ulla Behrens – mit dem Ziel, ihre „Idee in ein Gesetz zu gießen, das auch eine Finanzierung vorsieht“. Die engagierten Männer und Frauen sprachen viel mit Lokalpolitikern, es gab jede Menge Info- und Diskussionsveranstaltungen. „Wir sind damals auch zu Günther Niemeyer gegangen“, sagt Behrens. Über all die Jahre habe der Dewezet-Geschäftsführer das Anliegen unterstützt, Wege geebnet und gleich zu Beginn auch den Vorsitz des Förderkreises übernommen. „Und das alles ohne jegliche Einflussnahme auf den Inhalt unserer Sendungen“, freut sich Ulla Behrens. Auch Pete Kulz unterstreicht, dass man allen unterstützenden Unternehmen gar nicht dankbar genug sein könne für ihr jahrelanges Engagement.

Mitte der 1990er-Jahre bewarben sich schließlich drei Initiativen um eine Lizenz bei den Landesmedienanstalten: Neben Hameln-Pyrmont gehörten auch Schaumburg und Holzminden dazu. Dass die Wahl schlussendlich auf die Hamelner Enthusiasten fiel, hatte wohl auch damit zu tun, dass sie jüngst den 1. Niedersächsischen Hörfunkpreis gewonnen hatten. „1994 haben wir mal eine Woche lang Radio in der Sumpfblume gemacht“, erinnert sich „Jo“ Stracke. Im Rahmen des sogenannten „Veranstaltungsrundfunks“ wurden ihnen täglich zwei Stunden Sendezeit auf einer begrenzten Frequenz im Hamelner Stadtgebiet zugestanden. Thema war Stadtplanung und -entwicklung.

Kampf um die Lizenz

„Es war ein ganz schöner Kampf um die Lizenz, aber schließlich haben wir sie 1996 bekommen“, freut er sich. Ein Kampf war dabei auch das Thema Frequenz. „Der WDR hatte als großer Radiosender ein Mitspracherecht“, begründet Ulla Behrens. Natürlich wurde versucht so wenig Frequenz wie möglich an Konkurrenten abzugeben. Doch das Hamelner Team war hartnäckig: Konrad Drehmann beispielsweise nahm selbst Messungen auf dem Klüt vor, Ulla Behrens und Karin Seifert fuhren sogar nach Köln zum damaligen Chef des Senders.

Schließlich wurde die Frequenz 100.0 freigegeben -ursprünglich für die EXPO in Hannover vorgesehen. Also konnte es endlich losgehen: Räume wurden gesucht und im Hefehof gefunden. „Wir haben alles selbst ausgebaut, Rigips-Wände für die Schalldichte wurden gespendet, Teppich und doppelter Boden verlegt. Und auch um Fragen wie „analog oder digital?“ sei es gegangen. „Der WDR hatte ein neues System in der Erprobung, das wir in den Alltagsbetrieb übernommen haben“, sagt Stracke. Natürlich habe es noch nicht 100-prozentig funktioniert. Nichtsdestotrotz: Radio Aktiv war der erste nicht-kommerzielle Lokalsender, der dann am 30. November 1996 an den Start ging.

In Sachen Musik sei man anfangs erfinderisch gewesen. „Es gab ja keinen Fundus, auf den wir hätten zurückgreifen können“, merkt Jo Stracke an. Und so habe jeder Involvierte einfach CDs von sich zu Hause mitgebracht. „Wir hatten anfangs also ein sehr buntes Programm“, schmunzelt er. Nach und nach sei dann aber auch Musik eingekauft worden, teilweise sogar ganze Sammlungen. „Das war eine spannende Zeit!“ Und auch über die inhaltliche Gestaltung des Programms wurde von jeher rege diskutiert. Diese „nächtlichen Sitzungen“ bezeichnet er rückblickend als „Aufbruchsstimmung“.

Programm war zunächst thematisch unterteilt

Nach dem Start im November 1996 war das Programm noch thematisch unterteilt. „Es gab eine Stunde lang Beiträge zum Thema Umwelt, dann eine Stunde Frauenredaktion und so weiter“, so Stracke. „Wir wollten einfach Programm machen, das hörbar ist, und Musik spielen, die nicht wehtut“, fasst er zusammen. In den Abendstunden seien dann die Bürgerfunker am Zug gewesen, die ihre eigene Sendung zusammenstellten – „das war teilweise sehr exotisch und experimentell.“ Die Quote sei dabei immer spitze gewesen, wie auch heute noch.

„In den ersten Jahren haben wir viele Hörfunkpreise gewonnen“, erzählt Stracke. Es habe eine Kinder und eine Jugendredaktion gegeben, die Seniorenredaktion habe bis heute im Tönebön Bestand und über Projekte haben die Akteure auch immer versucht Geldquellen aufzutun. Natürlich konnte Radio Aktiv in der Vergangenheit auch immer mal wieder prominente Gäste bei sich im Sender begrüßen. Joachim Stracke erinnert sich zum Beispiel an Gerd Ruge, Peter Sodann („anfangs ziemlich muffelig“) oder Gerhard Schröder, damals im Bundeswahlkampf, und nach einer wohl zu persönlichen Frage des damaligen Moderators Christian Buttkereit kurzerhand aus dem Studio gestürmt. „Wir konnten ihn aber wieder beruhigen!“

Der Sitz am Hefehof gefiel im Laufe der Zeit immer weniger; die Akteure wollten rein in Hamelns Mitte. „Damals hatte die Stadt noch Geld, die Pavillons am Bürgergarten standen leer – und wir konnten mit unserem Konzept überzeugen“, führt Stracke aus. 2004 folgte der Umzug, es gab eine komplett neue Einrichtung – finanziert durch Spenden und Unterstützung von Möbelhäusern – und aktuelle Technik. „Auch das Programm haben wir dann am Bürgergarten modifiziert“, ergänzt Ulla Behrens.

Zweitsitz in Bad Pyrmont

Parallel zum Hauptsitz in der Rattenfängerstadt gibt es seit 2009 auch den Zweitsitz in Bad Pyrmont – zunächst im Waisenhof und seit 2010 an der Heiligenangerstraße.

„Insgesamt haben wir viele junge Leute ausgebildet, die uns oft mit Kusshand von größeren Sendern weggeschnappt wurden“, erzählt Stracke nicht ohne Stolz. „Viele haben das Radiohandwerk bei uns gelernt, viele wurden abgeworben – aber wir sind in Sachen Nachwuchs auch immer am Ball geblieben“, freut sich Ulla Behrens.

Heute sendet Radio Aktiv im mittleren Weserbergland per UKW auf den Frequenzen 99,3 MHz, 94,8 MHz und seit dem 1. Februar auch auf 107,2. Und eine dieser Frequenzen sollten Sie, liebe Leser, unbedingt diesen Sonntag, 22. August, von 13 bis 16 Uhr einschalten, denn dann gestalten Moderator Jan Hampe und die HALLO-Redakteure Meike Schaper und Jens F. Meyer eine Sondersendung zum großen Finale unserer HALLO-Aktion „Radio-Schätze – Ein Sommer voll Musik“.