Weserbergland (jlg / zgl). Bekanntlich geht’s dem deutschen Wald in großen Teilen nicht gut. Die Region Hameln-Pyrmont macht da keine Ausnahme. Die Hitze und Dürre der vergangenen beiden Sommer sind maßgeblich daran beteiligt.

Und dann gibt’s da noch das Rehwild, das Bäumen wie jungen Traubeneichen das Leben schwer macht – weshalb sie zum Beispiel im Riepen, aber auch in anderen Teilen Weserbergländischer Wälder mit Streben geschützt werden. Aber warum stellt der Rehbock überhaupt eine Gefahr dar?

Kreisjägermeister Jürgen Ziegler erklärt das so: „Der Rehbock entwickelt im Winter ein neues Geweih, Jäger sprechen von ’Gehörn‘. Es besteht aus mit Haut und Fell überwachsener Knochensubstanz. Rehböcke schaben diese Haut durch das Reiben an Bäumen und Sträuchern in der Zeit ab. Die Pflanzensäfte geben dem weißen Knochen die spätere dunkle Geweihfärbung. Bis zur Paarungszeit im Juli und August markieren Rehböcke ihr Revier mithilfe einer zwischen den Geweihstangen befindlichen Duftdrüse. Auch hierfür schaben sie ihr Geweih an Büschen und Bäumen. Liegt ein Rehbockterritorium in einer Traubeneichenanpflanzung, stellt das Anbringen von Streben an den kleinen Stämmchen in der Zeit bis August einen bedeutenden Schutz dar.“
Dass das Rehwild eine Bedrohung für die ohnehin schon besorgniserregende Situation unserer Wälder darstellt, sei allerdings der falsche Schluss. Vielmehr hält Jürgen Ziegler es für notwendig, die hohe Bedeutung vieler Tiere für das Ökosystem Wald zu beschreiben. Für Laien stelle sich diese Bedeutung womöglich nicht immer gleich dar, und doch sei kein Wald ohne Wild denkbar und wünschenswert. In diesem Zusammenhang sei wichtig, zwischen Rot- und Rehwild zu unterschieden.

Rothirsch nur in Deister und Osterwald, Rehwild überall

Rotwild (Cervus elaphus, also der Rothirsch) gibt es im Landkreis Hameln-Pyrmont nur in den Waldgebieten Deister und Osterwald. Dort haben sich die Inhaber der Jagdreviere zu Hegegemeinschaften zusammengeschlossen, um dieser Wildart eine artgerechte Lebensweise zu ermöglichen. „Diese Tiere sind eigentlich Bewohner des Offenlandes. Sie können nicht nur gut hören und riechen, sie orientieren sich insbesondere mit den Augen und nehmen auf weite Entfernung Bewegungen wahr“, sagt Jürgen Ziegler. Die Tiere leben im Jahreslauf in großen männlichen und getrennt davon in weiblichen Gruppen zusammen. Sie sind untereinander äußerst verträglich. Die Futterplätze sind Wiesen- und Weideflächen sowie Raps-, Weizen- und andere Ackerpflanzen im Wechsel mit rohfaserreicher Nahrung, die in Zweigen, Nadeln und Baumrinde zu finden ist.

Der Bestand des Rotwildes darf aus forst- und landwirtschaftlichen Gründen nicht zu groß werden. In Zusammenarbeit von Grundeigentümern, Jägern und Behörden werden die beiden Waldgebiete forstlich und jagdlich in einer Weise betreut, dass der Erhalt dieser Tierart gewährleistet werden kann.

In den kommunalen Wäldern von Bad Pyrmont und Hameln gibt es kein Rotwild. Hier lebt das Rehwild (Capreolus capreolus). Die Tiere sind überall im Landkreis anzutreffen. Sie sind außerordentlich flexibel in der Nutzung des Lebensraumes. „Diesen Lebensraum bilden unsere Wälder, die Waldränder mit den angrenzenden Wiesen und Feldern sowie die Flusstäler und im Sommer die weiten Raps-, Rüben- und Weizenfelder sowie die Maisäcker“, sagt Jürgen Ziegler. Im Gegensatz zum Rotwild sind Rehe untereinander außerordentlich unverträglich. Lediglich im Winter sieht man größere Rehgruppen auf Feldern vereint. Hierbei handelt es sich um sogenannte Notgemeinschaften. Die Tiere tolerieren sich in diesem Fall, weil sie in der futterarmen Zeit gemeinsam besser die Annäherung von Feinden wahrnehmen können. Das Geweih des Rehbockes ist keine Defensivwaffe wie beim Rothirsch, sondern kann als tödliche Waffe gegen einen anderen Rehbock eingesetzt werden. Die Territorien von Böcken und Ricken überschneiden sich. Die Ricken werden im Frühjahr weiterhin von ihren vorjährigen Kitzen – die in der Jägersprache Schmalrehe und Jährlinge heißen – bis zur Geburt der neuen Kitze im Mai, begleitet.

Vermehrungsrate liegt bei 100 bis 120 Prozent

Rehe fressen naschhaft nur zarte Knospen, Blätter und Blüten. Sie selektieren bestimmte eiweißreiche Pflanzen in Wald und Wiese heraus und haben auf diese Weise bei einem hohen Bestand einen großen Einfluss auf die Pflanzenwelt ihres Lebensraumes. Nicht nur Pflanzen eines Wirtschaftsforstes können geschädigt werden, sondern auch die Flora naturnaher Wälder wie zum Beispiel im Ith oder im Süntel. Die Vermehrungsrate liegt bei 100 bis 120 Prozent des im Frühjahr vorhandenen weiblichen Bestandes. Aus diesem Grund ist eine gezielte Bejagung notwendig, so der Kreisjägermeister.