Hameln-Pyrmont (mes). Die Grillparty findet künftig ohne Plastikgeschirr statt, das Eis wird mit einem Holzlöffel gelöffelt und der Kaffee mit einem Holzstäbchen umgerührt. Ab Juli dürfen nämlich verschiedene Einweg-Plastikprodukte nicht mehr verkauft werden. Einmalbesteck und -teller, Trinkhalme, Rührstäbchen, Wattestäbchen und Luftballonstäbe aus Plastik, aber auch To-go-Lebensmittelbehälter und Getränkebecher aus Styropor. Sie alle sollen nach dem Willen der Bundesregierung ab dem 3. Juli nicht mehr auf den Markt kommen. Verboten werden außerdem Artikel aus sogenanntem oxo-abbaubarem Kunststoff, die durch eine Reaktion mit Sauerstoff in Mikroplastik zerfallen.

Laut Umweltbundesamt ist der Verpackungsverbrauch in Deutschland zu hoch. Einweggeschirr und „To-go“-Plastikverpackungen haben daran einen großen Anteil. Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) werden in Deutschland stündlich rund 320.000 Einweg-Becher verbraucht – davon bis zu 140.000 „To-go“-Becher. Die Menge der Kunststoffabfälle nahm zwischen 2015 und 2017 um 3,9 Prozent auf 6,15 Millionen Tonnen zu.

Das EU-weite Verkaufsverbot für diese Produkte gilt ab dem 3. Juli. Besonders betroffen davon ist die Gastronomie. „Es wird schwierig die Richtlinie umzusetzen“, fürchtet Dirk Schneidewind. Der Betreiber des Cafés Schneidewind in Bad Pyrmont hat zuletzt bereits zahlreiche Alternativen ausprobiert und getestet. „Die Mehrwegsysteme, die auf dem Markt sind, sind noch nicht so das Wahre“, zeigt er sich enttäuscht. Das fange an bei Trinkhalmen aus Papier, PLA oder Bambus und höre auf bei Mehrwegbehältern, die nicht genormt und somit nicht miteinander kompatibel sind. „Wir arbeiten seit zwei oder drei Jahren mit Mehrwegbechern, aber da kocht jeder sein eigenes Süppchen“, meint er.

Allein schon beim Mehrweggeschirr gebe es drei unterschiedliche Großhersteller. „Wenn das nicht zentral gesteuert wird, nimmt doch niemand die Behälter zurück.“ Besser mache es da die Stadt Göttingen. Dort seien die Verbraucher mit nur einem To-Go-Becher vernetzt und könnten ihn überall einsetzen beziehungsweise zurückgeben. Schon alleine für den Verbraucher wünscht sich Dirk Schneidewind da eine bessere Abstimmung zwischen den Herstellern.

Auch Ulrich Kaufmann findet es „verwirrend“, dass es nichts Einheitliches gibt. Der stellvertretende Betriebsleiter der Kreisabfallwirtschaft Hameln-Pyrmont (KAW) brennt für das Thema Müllvermeidung, war er doch lange Jahre auch zuständig für die Abfallberatung. „Die To-Go-Becher zum Beispiel unterscheiden sich regional so sehr, es gibt zig Varianten“, bemängelt auch er. „Wie soll der Verbraucher das verstehen?“ Auch beim Geschirr gebe es keine Norm, da passe der eine Deckel des einen Behältnisses nicht auf die Schale des anderen Herstellers. Es müsse also noch viel getan werden, zumal gerade in der Pandemiezeit mehr Speisen abgeholt oder geliefert wurden als üblich.

Verbot ist auch eine Chance

Nichtsdestotrotz sieht er in dem neuen Plastikverbot, das im Juli in Kraft tritt, auch eine Chance. Denn erstens „muss ja irgendwo ein Anfang gemacht werden“ und zweitens würde der Bürger auch mehr sensibilisiert für das Thema. Er sei gespannt auf die Alternativen, die da noch kommen. Geht man wieder zurück zur beschichteten Pappe? „Früher gab’s Pommes auf einer Pappschale mit einem Holzpieker“, bevor auf Kunststoffe übergegangen wurde. „Aber selbst so ein Holzpieker kommt nach einmaligem Gebrauch doch in den Müll“, mutmaßt er. „Den benutzt doch niemand noch ein zweites Mal, den bekommt man doch gar nicht sauber…“ Kaufmann wünscht sich allgemein eine andere Denkweise in Sachen Abfallvermeidung. Sein großes Vorbild ist Schweden. Dort gebe es wiederverwendbare Tragetaschen statt Plastiktüten, die ewig lange hielten. Jeder Einzelne könne selbst etwas tun, Ideen seien nach wie vor gefragt. „Es gibt genügend Möglichkeiten, wie wir sparsamer mit Ressourcen umgehen können“, ist er sich sicher.

Doch auch Dirk Schneidewind hat die Hoffnung auf verbraucherfreundliche Lösungen noch nicht aufgegeben. „Bei Einwegverpackungen sind wir ja auf dem richtigen Weg“, Mehrweg müsse nun nachziehen. „Bei Tortenlieferungen haben wir schon immer auf Pappe gesetzt“, betont er. Auch im Einkauf sei er nachhaltig unterwegs. Was ihm allerdings noch zu schaffen macht: die Kosten. „Alternative Trinkhalme sind doppelt so teuer wie herkömmliche Strohhalme, Dessertschüsselchen mit Deckel kosten sogar viermal so viel wie solche aus Plastik beziehungsweise Styropor – das muss man erst mal auffangen!“

Laut der Verbraucherzentrale ist das Ziel ab 2030, dass sämtliche Plastikflaschen zu mindestens 30 Prozent aus recyceltem Material bestehen. Auf einigen Produkten mit gewissem Kunststoff-Anteil soll es ab 2021 Hinweise geben, die über negative Umweltauswirkungen informieren. Zu solchen Produkten zählen zum Beispiel Feuchttücher und Zigarettenfilter. Bundesumweltministerin Svenja Schulze bringt es auf den Punkt: „Wenn die weltweite Vermüllung so weitergeht, haben wir im Jahr 2050 vermutlich mehr Plastik als Fisch in unseren Weltmeeren.“
Die Produkte, die ab Juli verboten werden, gehören laut EU-Kommission zu den Plastikgegenständen, die am häufigsten an europäischen Stränden gefunden werden. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) schätzt außerdem, dass sie zehn bis 20 Prozent des Abfalls ausmachen, der sich in Parks, auf öffentlichen Plätzen und Straßen findet. Den größten Anteil daran hätten To-go-Verpackungen aus Styropor.

In der Corona-Krise hatten Entsorger zuletzt insgesamt steigende Müllmengen gemeldet – aus Angst vor dem Virus wird demnach öfter auf Einweg-Artikel gesetzt.

Der Müll, die Umwelt und wir: In loser Reihenfolge wird die HALLO-Redaktion diesen Themenbereich in den kommenden Ausgaben von zahlreichen Seiten betrachten.