Weserbergland (mes). Ab in den Süden! Wer dieser Tage seinen Blick gen Himmel richtet, sieht sie wieder, die riesigen Vogelschwärme, die sich aufmachen ins Winterquartier. Bereits Anfang des Monats haben sich die Schwalben Richtung Afrika aufgemacht. Und mittlerweile vermisst man bei einer Fahrt entlang der Weser auch schon die (Weiß-)Störche. „Man sieht die großen Schwärme der Stare, die gewaltige Flugbilder am Himmel zeichnen – und plötzlich sind sie weg“, schildert Günter Blötz. Der 1. Vorsitzende des Nabu Coppenbrügge-Salzhemmendorf weiß auch, dass jetzt die Formationen der Kraniche und Graugänse am Himmel bewundert werden können. Aber das seien längst nicht alle Vögel, die die heimischen Gefilde im Herbst verlassen.

Nach Schätzungen des Nabu verlassen im Herbst mehr als 50 Millionen Zugvögel ihre Brutgebiete in Deutschland und machen sich Jahr für Jahr auf eine lange, nicht ungefährliche, Reise in wärmere Gefilde. Dabei werde unterschieden in Langstreckenzieher, Teilzieher und Standvögel. Zur ersten Gruppe gehören Mehlschwalbe, Rauchschwalbe, Nachtigall, Kuckuck, Zilpzalp, Mauersegler und Weißstorch, zur zweiten Goldammer, Star, Stieglitz, Rotmilan, Hausrotschwanz, Graugans, Kranich und weiblicher Buchfink. Standvögel sind Haussperling (Spatz), Kohlmeise, Elster, Habicht, Waldkauz, Taube und männlicher Buchfink. „Speziell ist das Verhalten der Buchfinkfamilie“, sagt Blötz. Während es das Buchfinkweibchen ans warme Mittelmeer ziehe, bleibe das Männchen lieber im Weserbergland.

Die Langstreckenzieher machen ihrem Namen alle Ehre und fliegen teilweise bis zur Kapprovinz in Afrika. Die Teilzieher überwintern überwiegend im Mittelmeerraum, auf der iberischen Halbinsel oder in Nordafrika. Die globale Erwärmung beeinträchtige auch das Leben der Zugvögel. So kehrten Mehlschwalben inzwischen durchschnittlich zehn Tage früher nach Deutschland zurück als noch vor 30 Jahren. „Studien in England haben gezeigt, dass dort jede dritte Vogelart durchschnittlich um etwa neun Tage früher brütet“, ergänzt der Nabu-Experte. „Am Weißstorch kann man bei uns teilweise beobachten, dass er, da das Nahrungsangebot in den wärmer gewordenen Wintertagen stets vorgehalten wird, sogar bei uns überwintert.“
Ein besonderes Problem habe der Kuckuck, der nach einer Flugstrecke von etwa 15 000 Kilometern, pünktlich wie die Kuckucksuhr, nach wie vor erst Mitte April aus seinem Winterquartier zurückkehrt.

Allerlei Gefahren

„Dann hat er ein Problem den bereits brütenden Zieheltern noch ein fremdes Ei unterzujubeln“, so Blötz. „Die ‚echten‘ Vogelküken seien bereits geschlüpft und da liegt plötzlich ein Kuckucksei!?“
Doch nicht nur der Klimawandel stellt große Gefahren für die Zugvögel dar. Sie leisten auf ihrer Flugroute Ungeheuerliches, stoßen dabei allerdings außer den Widrigkeiten des Wetters auf allerlei Gefahren: verbaute Rastplätze, Hochspannungsleitungen, fehlende Feuchtgebiete durch Entwässerung und Umbruch zu Ackerland, mangelndes Nahrungsangebot durch Überfischung und Ölverschmutzung. „Für uns Mitteleuropäer jedes Jahr unbegreiflich, dass in vielen Ländern die Vogeljagd zwar illegal ist, und dennoch in Malta, Frankreich, Ägypten jährlich massenhaft Vögel in Netzen gefangen werden, um dann auf den Märkten als Delikatessen verkauft zu werden“, meint Günter Blötz.

So können allen Ziehern nur einen guten Flug und gesunde Heimkehr wünschen und freuen uns jetzt schon auf die ersten Frühlingsgesänge. Ende Februar, Anfang März kommen die ersten Gefiederten zurück, als Erstes singen Singdrossel und Zilpzalp. „Und wenn die Rauchschwalben Ende März, die Mehlschwalben zwei, drei Wochen später eintreffen, dann ist der Frühling wirklich da“, gibt der Experte einen Ausblick.