Hameln-Pyrmont (mafi). Selten wurde einer Europawahl in Deutschland so gespannt entgegengesehen wie in diesem Jahr: Das Votum am Sonntag, 9. Juni, gilt mehr denn je als Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit, es bietet zugleich ein Stimmungsbild für die Bundes- und Landespolitik. Viele Menschen auch im Weserbergland haben ihre Wahl bereits vollzogen – bequem per Brief von zu Hause aus oder im jeweiligen Rathaus.
Gänsehaut-Moment an der Hamelner Hochzeitshaus-Terrasse: Immer mehr Chorsänger und Passanten stimmen ein in die „Ode an die Freude“. Die Europahymne mit den alten Schiller-Worten „Freude, schöner Götterfunken“ und „Alle Menschen werden Brüder“ ist an jenem Samstag aktueller denn je: In Hamelns Innenstadt feiern die Menschen den 75. Geburtstag des deutschen Grundgesetzes und das Friedensprojekt Europäische Union.
„Es geht nicht mehr um den Krümmungsgrad von Gurken, sondern um die ganz großen Themen“, sagt Reinhard Burdinski vom Kreisverband Hameln der überparteilichen Europa-Union Deutschland (EUD). Er wirbt seit der ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments im Jahr 1979 unermüdlich für die Teilnahme an der Abstimmung. Oft musste er erklären, warum sich die Politiker in Brüssel und Straßburg so intensiv mit dem Krümmungsgrad von Gurken und anderem vermeintlichen Kleinkram auseinandersetzen.
Ergebnis ist lohnend
Jetzt ist das anders, bestätigt auch Uwe Klüter von der EUD Bad Pyrmont, während er bei dem Event in der Weserstadt das große Europa-Bodenpuzzle betreut: So viele Staaten zusammenzubringen, ist kniffelig, aber das Ergebnis lohnend.
„Der russische Krieg gegen den EU-Beitrittskandidaten Ukraine zeigt jedem, wohin es führt, wenn ein Land seine Machtinteressen mit mörderischer Rücksichtslosigkeit durchsetzt“, sagt Burdinski. Nicht nur die Weltlage, sondern auch der Nationalismus und Populismus in Teilen der Bevölkerung großer EU-Staaten beunruhigt den Groß Berkeler, der für sein Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden ist. „Herausforderungen wie Klimaschutz, Sicherheit und Zuwanderung lassen sich nicht allein bewältigen“, erklärt er. Die Europäische Union sei hierfür das beste Forum, die Wahl zum Europaparlament die Einflussmöglichkeit der Regierten. „Der Austausch der Menschen und die Verzahnung der Wirtschaft garantieren Frieden, Freiheit und Wohlstand für weite Teile des Kontinents.“
Zur zehnten Europawahl sind in Deutschland 65 Millionen Menschen aufgerufen, erstmals auch 16- und 17-Jährige. Hameln-Pyrmont kommt auf 115 499 Wahlberechtigte. Dazu zählen auch hier wohnende Angehörige anderer EU-Staaten: Haben sie sich eintragen lassen, können sie das 96-köpfige deutsche Kontingent mitbestimmen, anderenfalls die Delegation ihres Herkunftslandes. In der Volksvertretung arbeiten die Gewählten in internationalen Fraktionen zusammen, die jeweils Mitglieder aus mindestens sieben Staaten haben müssen.
34 Parteien auf dem Stimmzettel
Auf dem Stimmzettel sind in Deutschland 34 Parteien oder Vereinigungen aufgeführt, ebenso die Namen der Kandidaten und Kandidatinnen der jeweils zehn ersten Listenplätze. Die Parteilisten gelten bundeseinheitlich, außer bei CDU und CSU. Jeder Wählende darf nur ein einziges Kreuz setzen.
Wer noch keine Wahlbenachrichtigung erhalten hat, sollte sich an seine Wohnortgemeinde wenden. Wer die Karte verlegt, vernichtet oder vergessen hat, kann trotzdem am 9. Juni zwischen 8 und 18 Uhr in sein gewohntes Wahllokal gehen: Der Personalausweis dient quasi das Ersatzticket.
Weil die Europawahl einfach auszuzählen ist, rechnet Hameln-Pyrmonts Wahlleiter Andreas Pachnicke damit, das vorläufige Endergebnis schon zwischen 20 und 21 Uhr vermelden zu können.