Hameln-Pyrmont (ul). Er ist sehr clever, merkt sich, wo er hineinschlüpfen kann und was sich wie öffnen lässt. Nachts klettert er mit seinen fünf kräftigen Vorderkrallen Bäume und offenstehende Mülltonnen hoch. Als Allesfresser genießt er, was ihm bei seinen nächtlichen Raubzügen in den Weg kommt: Vogeleier, Jungstiere und Obst. Der Waschbär macht das Weserbergland unsicher.

„Er ist ein Eindringling, gehört zu den invasiven Tierarten, die anderen hier heimischen Tierarten den Lebensraum streitig machen“, erläutert Kreisjägermeister Jürgen Ziegler. Sie bedrohen nicht nur Singvögel, sondern besetzten auch Fuchsbauten und Unterkünfte von Stein- und Baummarder und vertreiben sie.
Wie sehr sich ihre Population vermehrt, zeigen die Zahlen der Kreisjägerschaft Hameln-Pyrmont: Gejagt oder gefangen wurden 2018/19 insgesamt 819 Waschbären. Ein Jahr später also 2019/20 sind es schon 1190 Waschbären. Davon wurden 74 bzw. 76 von Fahrzeugen erwischt. Als invasive Tierart darf der Waschbär nicht als Haustier gehalten werden oder ausgesetzt werden. Das EU-Projekt DAISIE listet Neozoen wie Marderhund, Mink und Waschbär unter den 100 schlimmsten invasiven Arten; die Berner Konvention empfiehlt, diese Arten streng zu kontrollieren, da sie die biologische Vielfalt gefährden.

Der Garten als Spielwiese und Speisekarte

Und wenn der Waschbär wie bei einem unserer Leser den Garten und nicht den Klüt zu seiner Spielwiese und Speisekarte erklärt, dann wird der possierliche Kleinbär mit dem gestreiften Puschelschwanz schon mal zum Störenfried. Den man gern loswerden will, wenn er den Rasen nach Maikäferlarven durchwühlt.
Das grau-weiß-schwarze Wildtier hat in seiner Heimat Amerika den Steinadler als natürlichen Feind. Doch hier kann es tun und lassen, was es will. 1934 hat Forstmeister Wilhelm Freiherr Sittich von Berlepsch auf Wunsch des Geflügelzüchters Rolf Haag am Edersee vier Waschbären ausgesetzt, ohne auf die Folgen für die Natur zu achten. Und in dem wasser- und baumreichen Gebiet um den Edersee wurden schon 26 Jahre später 600 putzige Waschbären gezählt, die keine Rücksicht auf Obstgärten nehmen. Um die Zahl dieser Wildtiere ohne natürlichen Feind „einzugrenzen“, dürfen Jungtiere laut niedersächsischem Jagdgesetz das ganze Jahr über gejagt werden. Jägern gelten sie als zufälliges Beiwerk, wie der Hamelner Jäger Reinhard Plener erläutert.

„Rund 50 Waschbären werden jährlich im Stadtgebiet von Hameln erlegt“, berichtet Carsten Bölts vom Forstamt Hameln. Das sei eine hohe Zahl, die meisten davon wurden überfahren, die wenigsten sind in Lebendfallen getappt. „Nur wenn Schaden entsteht für die Bürger, werden sie gefangen“, so Bölts.

Für Singvögel eine große Gefahr

Aber Bölts betont auch, für Singvögel sind die Waschbären eine große Gefahr. Schließlich habe der kleine Räuber Gliedmaßen an den Vorderpfoten – so beweglich und kräftig – und er ist sehr erfinderisch. Er kann extrem gut riechen. Das macht es für Vogelfreunde, wie unseren 81-jährigen Leser schwer. Er füttert Kernbeißer, Meisen und Spechte, und lockt damit ungewollt auch den Waschbären, Marder und den Fuchs an. Schon zehn Mal hat der Tierliebhaber, der auch gern Igel füttert und damit ebenso Wildtiere anlockt, eine Jägerin um Hilfe gebeten. Sie legt dann eine Lebendfalle aus. Innerhalb von drei Jahren tappten bei unserem Leser zehn Waschbären in die Falle.

Mehr als 70 Prozent der Waschbären in Südniedersachsen sind mit dem Spulwurm infiziert. Der Ausbruch von etwa zwei Dutzend Waschbären aus einer Pelzfarm in Wolfshagen bei Strausberg in Brandenburg im Jahr 1945 führte zu einem weiteren Verbreitungsgebiet. Die daraus entstandene Population lässt sich bis heute genetisch und parasitologisch von der westdeutschen unterscheiden. Waschbären aus dem brandenburgischen Verbreitungsgebiet tragen die Spulwurminfektion nicht. In Sachsen-Anhalt wurde eine Infektionsrate von 39 Prozent gemessen offenbar ein Verschmelzungsgebiet der beiden Populationen.

Da der Waschbär tagsüber nicht zu sehen ist, hat unser Leser eine Wildkamera, die auf Bewegung auch nachts reagiert, an einem Baum im Garten installiert. Über tausend Bilder von Waschbär, Marder, Fuchs hat seine Wildtierkamera innerhalb der letzten drei Jahre „geschossen“.