Von Jens F. Meyer

Durchfüttern oder nicht? Die einen sagen so, die andern so. Fest steht: Die Spatzen, die vor meinem Arbeitszimmerfenster im Geäst der Blutpflaume herumturnen, sind dick wie Klöße. Wie Klöße deshalb, da sie den Knödeln verfallen sind. Sie bekommen regelmäßig zwei – pro Tag, nicht pro Woche! Diese Gier ist, ich möchte behaupten: unerträglich! Wie kann ein Vögelchen so viel fressen?

Beziehungsweise zehn von denen. Zwölf. Fünfzehn! Zu den Sperlingen gesellen sich ja noch Rotkehlchen, Blaumeisen, Schwanzmeisen, Kohlmeisen, Tannenmeisen, Ameisen. Ich werde ein armer Mann, weil die Inflation vor den Preisen für Vogelfutter nicht Halt macht. Ich blicke hinaus und kann es nicht fassen, was in so kleine Körper alles reinpasst … Die ehemals schlanken, ja geradezu grazilen Sangeskünstler sind zu Kugeln herangemopst, und weil sie dort draußen um die fettreiche Nahrung rumtollen, wirken sie auf mich wie, nun ja: Rumkugeln. Ich ahne, dass der Tag nahen wird, an dem sie nicht mehr fliegen können (obwohl: können Hummeln ja auch …). Ich ahne außerdem, dass der Tag kommen wird, an dem ich pleite bin. Denn ich ahne nicht nur, ich weiß sogar, dass ich es wieder nicht übers Herz bringen werde, die Knödelversorgung mit dem Sommer einfach zu unterlassen. Kriege ich nicht hin, ist ’ne psychologische Sache. Die Eingangsfrage wäre damit beantwortet. Schönes Wochenende.