Hameln / Bad Pyrmont (ey/mes). Ein Jahr ist es her, da die Stadtverwaltung in Hameln aus Gründen des Energiesparens und steigender Preise in weiten Teil der Kernstadt und in den Dörfern die Straßenlaternen abschaltete. Es ist kein Geheimnis, dass die Thematik viele Bürger bewegt. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass die Zahl an nächtlichen Straftaten während der Nachtabschaltung nicht spürbar gestiegen ist. Das HALLO-Redaktionsteam Jens F. Meyer und Meike Schaper hat zu dem politischen Ansinnen, die Nächte wieder hell zu erleuchten, eine klare Meinung.
Wie zu erfahren ist, wollen SPD und Grüne im Rat der Stadt die Straßenlaternen wieder durchgängig angeschaltet wissen, in der Kernstadt und den Dörfern. Für diese Entscheidung legen sie, wie es heißt, das „subjektive Sicherheitsempfinden“ der Bürgerinnen und Bürger zugrunde. Gut möglich, dass dieses subjektive Empfinden weniger durch fehlendes Licht, sondern mehr unter gewählten Volksvertreter leidet, die subjektiven Wahrnehmungen scheinbar mehr Bedeutung beimessen als objektiven Daten.
Dass in dieser Zeit der fast ein Jahr andauernden Nachtabschaltung rund 147.000 Euro Energiekosten eingespart werden könnten, und dies in Zukunft Jahr für Jahr, scheint keine Rolle zu spielen, wir haben‘s ja! Ob die Zahl der nächtlichen Straftaten – Raub, Überfall, Einbruch etc. – überhaupt signifikant gestiegen ist, kann die Polizeiinspektion Hameln-Pyrmont/Holzminden laut Pressesprecherin Stefanie Ockenfeld erst sagen, wenn das Jahr vorüber ist. Scheinbar will man diese durchaus wichtige Information aber gar nicht abwarten – im Ausschuss für Umwelt, Nachhaltigkeit und Klimaschutz sprachen sich SPD und Grüne für die Wiedereinschaltung der Laternen aus.
Apropos Klima: Die Grünen sitzen mit im Boot jener Mehrheit, die Licht ins Dunkel bringen will – und treten erneut und nicht mehr nur auf Bundesebene den Beweis an, dass die Sache mit der Umwelt nicht mehr so wichtig zu sein scheint. Nur mal so: Die Verwaltung rechnet vor, dass durch die Nachtabschaltung von Straßenlaternen in Hameln rund 90 Tonnen Kohlendioxid jährlich eingespart werden. Interessiert aber scheinbar wenig, denn da seien Bürgerinnen und Bürger, die Angst im Dunkeln haben. Frage: Wie viele haben diese Angst wirklich geäußert? Wenn‘s Tausende wären, bitte sehr, aber ein paar wenige dürfen nicht ausschlaggebend dafür sein, den hier gut gemeinten Sparplan der Stadt, die Latüchten von 23 bis 5 Uhr (und freitags beziehungsweise samstags ab 24 Uhr), wegzuleuchten. Dann wären wir nämlich an jenem Punkt, an dem – nicht zum ersten Mal – eine Minderheit darüber bestimmt, was die Mehrheit nicht will. Sehr ärgerlich.
Bad Pyrmont hat es da vielleicht pfiffiger gelöst. Denn es muss nicht immer nur entweder oder geben. In der Kurstadt wurde eine andere Lösung gefunden: Nachts werden die Straßenleuchten gedimmt – und zwar „über Sensoren, die bei entsprechender Dämmerung reagieren“, sagt Sabine Jösten aus dem Pyrmonter Rathaus. An den dunkelsten Tagen der dunklen Jahreszeit springen die Lampen bereits um 16 Uhr an und gehen am nächsten Morgen erst um 8.30 Uhr wieder aus. Im Umkehrschluss gilt: Je länger der Tag, desto kürzer die Leuchtzeit. Kleinvieh macht eben auch Mist. Apropos Kleinvieh: Nachtfalter und andere Insekten, ja, auch das darf – und muss – hier zur Sprache kommen, leiden unter der Lichtverschmutzung. Denn: Straßenbeleuchtung und andere künstliche Lichtquellen locken nachtaktive Insekten nahezu magisch an, verwirren sie, haben negativen Einfluss auf ihr Leben.
Auf Irrflug durch die Nacht – wegen Lichtverschmutzung
Es ist eine weitere Schattenseite des Lichts in unseren Straßen. Straßenlaternen (und erleuchtete Fenster) blenden die Insekten, die dann hilflos umherflattern – sie gehören aber zu den wichtigen Bestäubern. Zum anderen gibt es auch Arten, die Mond und Sterne zur Navigation nutzen. Diese verwechseln die Lampen möglicherweise mit solchen natürlichen Wegweisern und sind komplett desorientiert.
All diese Fakten – ganz ohne „subjektive Wahrnehmung“ – sollte die Politik nicht nur in Hameln, sondern auch in anderen Kommunen, in die Waagschale ihrer Entscheidung werfen. Was in Bad Pyrmont zum Beispiel gegen eine totale Finsternis sprach: Sie hätte nicht nur das Sicherheitsgefühl vor allem von Fußgängern geschwächt, sondern ebenso deren tatsächliche Sicherheit. Denn bei einer kompletten Nachtabschaltung wäre es auch im Umfeld von Bad Pyrmonts Zebrastreifen finster geworden. Deren Ausleuchtung ist nämlich ans Straßenlampen-Netz gekoppelt.
Hinzu kommt: Im Zentrum der Kurstadt sind auch am späten Abend und nachts noch deutlich mehr Leute unterwegs als zum Beispiel in den Ortsteilen, wo außerhalb der Ortsdurchfahrten schon jetzt zwischen 0.30 und 5.30 Uhr kein öffentliches Licht brennt. Dadurch und vor allem durch den seit Jahren peu à peu betriebenen Austausch von Lampen und Glühbirnen in LED-Varianten spart die Stadt bereits gewaltig. Zum Vergleich hat der für den Geschäftsbereich „Netze und Technik“ verantwortliche Stadtwerke-Prokurist Stefan Schüsseler bereits vergangenes Jahr vorgerechnet: „Seit 2009 konnte der Stromverbrauch der Straßenbeleuchtung schon von 1,1 Miollionen Kilowattstunden um 600.000 Kilowattstunden mehr als halbiert werden.“