Hameln-Pyrmont (ey). Ihre Heimat ist der Süden. Eigentlich. Aber über die Jahrhunderte hinweg hat der Mensch dafür gesorgt, dass die Esskastanie (Castanea sativa) sich bis ins nördliche Europa ausgebreitet hat. Das ist nicht neu; es gibt bereits knapp 200 Jahre alte Bestände im Hamelner Stadtwald! Das Erfreuliche daran: Sie sind absolut trockenheitsresistent und kommen mit klimatisch schwierigen Bedingungen gut zurecht. Perfekt für die Aufforstung lädierter Flächen unserer grünen Lungen in Hameln, Bad Pyrmont und den weiteren Städten und Gemeinden?

„Nicht in großem Stil“, warnt Carsten Bölts. Hamelns Forstamtsleiter würde auch die Esskastanie – auch als Edelkastanie bezeichnet – nicht hektarweise setzen, sondern immer partiell. Dass sie dennoch ein zukunftsweisender Baum sei, daran bestehe kein Zweifel: „Als Wirtschaftsbaum bietet sie Holz in der Qualitätskategorie unserer heimischen Eiche. Als forstliche Reaktion auf die Trockenheit ist sie geeignet, weil sie tief wurzelt und sogar mit Dürre zurechtkommt, weil sie ja ursprünglich aus dem Mittelmeerraum kommt. Und sie zeigt kaum Krankheiten.“
Ergo: Die Esskastanie könnte helfen, die heimischen Wälder für die Zukunft fit zu machen. Beziehungsweise tut sie das schon, denn Hamelns Wälder verfügen zum Beispiel im Bereich Heisenküche über rund 200 Jahre alte Exemplare dieser Art; Hameln sei in puncto Esskastanie „absolute Spitze in Norddeutschland“.

Hameln ist in Norddeutschland „absolute Spitze“

Bölts lobt hier seine Vorvorvorvorgänger. In Hameln sei man gegenüber der naturgemäßen Waldwirtschaft schon frühzeitig offen gewesen, habe kleinflächig neue Arten getestet. Dies gelte auch für Douglasie, Schwarznuss oder Roteiche, um noch drei weitere zu nennen, die hier nicht heimisch, aber durchaus gut aufgehoben sind.
Jürgen Ziegler, Kreisjägermeister in Hameln-Pyrmont und außerdem Vorsitzender der Forstgenossenschaft Hameln-Rohrsen, entlarvte sich im Gespräch mit dem HALLO geradezu als Fan der Esskastanie. „Sie wächst rasant. 150 Zentimeter Jahreszuwachs sind selbst bei Jungbäumen kein Einzelfall – daran haben die Dürresommer der vergangenen Jahre nichts geändert.“ Ziegler spricht von einer „Experimentierfläche“ im Bereich der Heisenküche, auf der das Wachstum junger Bäume nun genau beobachtet werde. Bis zu zwei Meter könnten sie bei guter Versorgung pro Jahr zulegen. Ziegler ist sicher: „Die Esskastanie ist ein perfekter Baum für unsere Wälder.“

2018 sogar zum „Baum des Jahres“ gekürt

Carsten Bölts sieht das ähnlich. Allein: Es fehlt die Langzeiterfahrung. „Salopp gesagt haben wir in unseren Breiten fünf Millionen Jahre Erfahrung mit der Buche, aber nur 200 Jahre Erfahrung mit der Esskastanie. Ich würde davon abraten, sie in großem Stil zu pflanzen, sondern immer nur auf kleinen Parzellen. Das gilt aber grundsätzlich auch für viele weitere ’exotische’ Arten.“
Moderne Waldwirtschaft müsse bedeuten, die Naturverjüngung des Waldes nur nachzubessern. Wo größere Flächen aufzuforsten seien, zum Beispiel dort, wo die Fichten zugrunde gingen, sollten heimische Arten den Vorrang haben. Aber dosiert gepflanzt sei die Esskastanie – 2018 wegen ihres ästhetischen, forstlichen und lukullischen Werts zum „Baum des Jahres“ gekürt – „ein Super-Baum für unseren Wald.“ Wenn das mal keine gute Nachricht ist!