Nah am Wasser gebaut zu haben, könnte bei „I still have faith in you“ zum Ertrinken führen. Da stehe ich nun in meinem eigenen See, Salz auf meinen Wangen, überwältigt von einem Lied, das sich episch in verborgensten Zimmern ausbreitet und ikonisch schon auf Reisen geht, da es aufgrund seiner Jugend noch gar keine Legende sein dürfte. Abba meldet sich eindrucksvoll aus einer Schaffenspause zurück, die weiter zurückreicht als Golfkrieg, Tschernobyls Super-Gau und „Da Da Da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha“. Aha!

Ein Gemälde aus Licht wie Sorollas „Nähen des Segels“

Ein wahnsinnig funkelndes Gemälde haben sie erschaffen, in gleicher Weise lichtdurchflutet wie „Das Nähen des Segels“, das Joaquín Sorolla 1896 unseren Augen schenkte. Auch sie – Agnetha, Anni-Frid, Benny und Björn – werden, wie der spanische Maler, hier zu „Meistern des Lichts“. Eine klare Architektur mit zauberhaft verspielten Elementen; wie Stuck hat Bandleader Benny Pianokomponenten, Gitarrenparts und den sternengleich glitzernden Gesang seiner beiden Engel in den Himmel dieses fünfminütigen Œuvres gefühlvoll eingearbeitet. Niemals zuvor, das kann ich wahrlich selbst kaum glauben, hat mir ein Schwedenhappen besser gefallen.

I still have faith in you
I see it now.
Through all these years that faith lives on
Somehow.
There was a union
Of heart and mind.
The likes of which are rare
And, oh, so hard to find.

Es ist die Hoffnung, es ist die Zuversicht, die dieses Lied durch Wüsten, über Berge, Flüsse, Meere zu uns trägt. Als breite es seine Arme aus, um uns schützend darin aufzunehmen. Bei mir funktioniert es; ich mag das Gefühl von Hoffnung und Zuversicht ohnehin – es ist der Treibstoff, den ich mir als Aufstrich an jedem Morgen fürs Brötchen wünsche und den wir alle brauchen, ob Räuber oder Gendarm, ob arm oder reich. Und hier nun, hymnisch und himmlisch, nimmt sich Raum, was uns leuchten lässt. Durch all die Jahre, der Glaube an uns lebt. Solche Zeilen können nur berühren! Nicht zuletzt, da die Band, die 1982 aufgrund privater Differenzen auseinanderbrach, mit diesem Song uns ihr eigenes Schicksal vor Augen führt. Noch immer da. Noch immer Vertrauen in Dich. Ein bittersüßes Lied in den Erinnerungen, die wir teilen, und der Zukunft, die wir gemeinsam bauen.

Mit diesem Lied erklingt ein Chor der Befreiten

So erklingt er, ein Chor der Befreiten: Nach unendlich langer Zeit ohne Abba hat die Branche ihre verloren geglaubten Könige des Pop wieder. Als ob dieses überwältigende Gefühl entzückendsten Klangfolgen nicht schon genug wäre, um in sich selbst zu tauchen, um zu spüren, was uns dieses wunderbare Leben beschert, gesellen sich Streicher zum mehrstimmigen Lobgesang. Ich flösse um mein Leben, wenn ich diesen emotionalen Gipfel live mit Gigaorchester verfolgen könnte, ich ertränke im filigranen Geflecht einer Komposition, die sanft wie ein Rinnsal beginnt und schließlich zum reißenden Strom wird, dessen Delta in Abermillionen Meere mündet.

I still have faith in you
It’s stands above the crazy things we did.
It all comes down to love
Do I have it in me?

Ob sie die Liebe in sich tragen, fragen sie. Es ist die letzte Zeile dieses Kunstwerks. Und wird zur ersten Frage für jeden, der es hört. Wer sie mit „ja“ beantworten kann, vermag das größte Glück des Lebens in sich zu tragen. Wow Abba – das ist ganz groß!