Meinertreu, um die fette Westernbluesnummer von Chris Stapleton vom vergangenen Wochenende zu toppen, jenem bärtigen Bommerlunder, der nach dem barbecueresk-würzigen Leckerschmeckerbeitrag meiner werten Rockerkollegin Meike The-Only-One-Schaper und der Ausstrahlung des Titels „Tennessee Whiskey“ auf Radio Aktiv neue Fans im Weserbergland gefunden haben dürfte, ist schwer.

Den Kopf habe ich mir zerbrochen, tagelang, wachte des Nachts, taperte im fahlen Lichte Lunas dröselig zum CD-Regal. Und eine Stimme befahl mir: „Gehe bis zum Buchstaben H. H wie Hornsby.“ Ich fand, was ich suchte: musikalische Erleuchtung. H wie Halleluja und Hosianna.

„Spider Fingers“ huschen übers schwarzweiße Brett

Hornsby. Vorname Bruce, nicht Blues; er huldigt ja dem Jazz. Wie Spinnenbeine huschen seine Finger federnd über die schwarzweiße Kante, und ich erlaube mir, wortakrobatisch darauf hinzuweisen, dass der Mann so fantastisch Klavier zu spielen in der Lage ist, sodass sein Piano Flügel bekommt.

Allen anderen empfehle ich, in die „White Wheeled Limousine“ einzusteigen, in dieses PS-Monster mit Haifischflossen, auf quietschendem Leder Platz zu nehmen, um einem Kunstwerk zu lauschen, dass die Hornsby‘ischen „Spider Fingers“ wie Salven prasselnder Freude über den Äther rauschen lässt. Die Neunziger, von vielen Musikfans als ein weitgehend verlorenes Jahrzehnt verkannt, haben Großartiges hervorgebracht. Das Album „Hot House“, fünftes Werk des Williamsburgers, der mit „The way it is“ ungefähr zehn Jahre zuvor zu Weltruhm gelangte, sprudelt heiß wie ein Geysir zwischen Jazz und Rock. Es blubbert, es köchelt, es steht nie still.

Chaka Khan singt im Background, Gitarrenhalbgott Pat Metheny würzt zahlreiche Titel, und Hornsby verbindet nicht bloß Stile, sondern Welten miteinander. Doch die „White Wheeled Limousine“ fährt gar nicht; laut Text bewegt sich die Schleuder keinen Millimeter von der Stelle. Es geht ums Heiraten, um die Liebe, um das Scheitern oder was auch immer; die Lettern und Worte werden Fantastereien, glyphengleich rieseln Bruuuuuuuce münchhausenmäßig Verse über die Lippen.

„She walked into town
in a long white gown.
And the band played on
with no one around.
And the rice was gone
oh hours ago.
And the white wheeled
limousine’s standing alone.“

Welche Braut, warum Reis, und weshalb, Teufel noch eins, steht das fette Gefährt denn still und traurig in der Gegend herum, während eine Band spielt, bei der keiner zuhört? Einerlei! Allein der musikalische Spannungsbogen reicht ja, um vor Freude zu explodieren. Musik braucht keine Sprache, sie ist selbst eine. Hornsby spielt schnell, hetzt aber nicht, sondern begleitet das forsche Banjo und treibt John Molos krachende Schlagzeugkunst an, wie sie ihn selbst antreibt. Zwischenparts, Ausreißer auf freiem Jazzparkett, dann die Rückkehr in den rhythmischen Poprock, und gepriesen seien die Prisen Bluesgrass. Schnipsel, mit Verve eingeschummelt, gut vertäut mit den Bläsersätzen, die im letzten Viertel wie ein finales Feuerwerk über uns niederregnen.
„White Weeled Limousine“ ist ein rastloses Werk, rastlos wie die Liebe, ruhelos wie das Leben. Ein fetter amerikanischer Brocken inmitten eines Albums voller Edelsteine. Auf dass sich nun jeder Ton wie Sonnenstrahlen über das Weserbergland ergießen möge.