Wie ein Wort, das Liebe heißt, umhüllt ein seidenmatter Glanz das Wolkenspiel des unvergleichlichen Django Reinhardt. Mit „Nuages“ hat er mehr als einen Song kreiert, fein wie Papyrus und schwerelos im Sternenstaube schimmernd; es ist wie ein Soundtrack seines Lebens. Sein Wolkenlied, das er 1940, mitten im Zweiten Weltkrieg, erstmals aufnahm und später noch in weiteren Versionen produzierte, wurde erst ein Hit und dann zur Hymne derer, für die das Getümmel am Firmament ein steter Begleiter ihrer Wege ist.

Eine Heimatmelodie für alle Heimatlosen, die Sinti und Roma, zu denen der gebürtige Belgier zählte. Es entwickelte sich im von den Deutschen besetzten Paris zusätzlich zu einem „Gebet im verlorenen Krieg“, wie es heißt. Ein Gebet, ganz ohne Text, aber reich an subtilem, tiefschürfendem Inhalt, dessen melancholische Grundstimmung von Lichtblitzen durchzuckt wird, die flackern wie Wetterleuchten vor dräuendem Gewitter.

Wolken. Nuages. Niemals zuvor und niemals danach hat es ein Lied gegeben, dessen sinnliches Konstrukt das Himmlische so himmlisch auf Erden (nieder)schweben ließ. Dort oben ziehen sie ihrer Wege, die Schwarzen, Weißen, Graumelierten, die Django Reinhardt mit seinem sehr eigenen Gitarrenspielstil taktvoll in Regenbogenfarben tauchen lässt. Er pirscht sich nicht plump an eine starre Systematik heran, sondern findet auf dem Quivive in dieses Werk, das auf seinem behutsamen Weg ein Kunstwerk wird, weil es den obersten Level der Sinnlichkeit scheinbar mühelos erreicht, ohne sich in Eitelkeit zu suhlen.

Sein musikalisches Feingefühl lässt jeden Ton auf die Zuhörenden fühlbar regnen, ganz so, wie es der Mittsommerkumulus tun würde: Tropfen für Tropfen reines Seelenwasser. Doch es träufelt aus keinem Himmel voller Geigen, sondern fällt sanft aus diesem Erdendach, das die Gedankenschwere des Komponisten mit sich führt, als ob sie es unter einer abenddämmernden Apfelsinensonne verdunstend noch eben gerade so vor der Dunkelheit bis in höhere Sphären geschafft hat.

Dieses Opus magnum wurde zum Wolkenspiel des Lebens für den kreativen Schöpfer, dessen „Nuages“ nach all den Jahren wie eine Erkennungsmelodie seines Schatzes klingt; ein Schlüssel ins songpoetische Weltenreich des großen Saitendichters, der von keiner Gnade der späten Geburt begleitend leider in den schwierigsten Zeiten des 20. Jahrhunderts zu leben hatte. Es kann gut möglich sein, dass aber genau dieser Umstand ihm sowohl in seiner Schwermut als auch in seinem schmetterlingsfliederblühenden Fingerfeeling ein Motor war.

Schauen wir nicht alle ständig zum Himmel, zu den Wolken, die nichts weniger als Sinnbilder unserer Wünsche, Sorgen und Ängste sind? Ziehen sie fort, geben sie den Blick ins Unendliche frei, aber das Blaue allein gereicht keinem Auge, um länger daran festzuhalten; erst das Grau und Weiß in all seinen Stufungen vermag unsere Sicht zu schärfen und lässt uns achtsam bleiben. Das ist „Nuages“ auch: ein achtsamer Song, der des Sommers wie sanfter Regen tröpfelt und im Winter dezent wie Schneeflocken unser Innerstes mit strahlendem Weiß auslegt.

Ob in der Londoner Aufnahme mit Violinist Stéphane Grappelli oder in der gewissermaßen wolkenreichsten Sechs-Minuten-Sologitarre-Version: Es ist ein Fest für uns heiter-traurige Melancholieeuphoriker.

PS: Bitte, bitte schicken Sie, liebe Leser, uns keine Wolkenbilder mehr, denn über 100 reichen! Vielen Dank an alle. Tolle Fotos waren dabei, die Aktion ist aber beendet. „Nuages“ ist mein Dank an Sie alle.