Auf dem „Wild Frontier“-Cover sieht Gary Moore aus, als ob er vor Sekunden aus den Feuern der Unterwelt geschleudert wurde. Ein Mann, eine Stichflamme. Dort, im Zentrum der Hölle, kokelte er dem Satan mit einem heißen E-Riff die Kimme an und katapultierte sich auf der Stelle hinauf ins Licht. Nun steht er da, im Irgendwo der Highlands, die rechte Faust ballend und mit Löwenmähne, die sein Gesicht umkräuselt, das wie sieben Tage Regenwetter aussieht. „Over the hills and far away“ hatte mich gefangen genommen; das war 1987 und es war die erste Single aus der „Frontiers“-Scheibe. Ich suchte meinen Weg zwischen Kind sein und erwachsen werden, fühlte mich blutleer, so anämisch wie die echte Rockmusik in den Achtzigern mitunter selbst war, was mich bis heute an der Aussage vieler zweifeln lässt, dass diese Dekade die beste der populären Musik gewesen sein soll. Hasch mich, war sie nicht.

Selbst Moores Klopperalbum, auf dem unter anderem das mehr als passable Easybeats-Cover „Friday on my mind“ wummert, lässt Schwächen aufflackern, weil in den Londoner Townhouse Studios unter der Fuchtel von Produzent Peter Collins kein Schlagzeug eingesetzt wurde – alle Drums beziehungsweise das, was so klingt, wurden aus dem Computer gehölzelt. Das mag praktisch sein, klingt aber vergleichsweise stumpf.

Und nein: Damals ist auch kein Dudelsackspieler vom Lande in die britische Metropole eingeflogen worden – selbst die Flötentöne im Mittelteil, Herzstück des Liedes, das mit einem keltischen Getriebe geschaltet wird, entrumpeln sich kühl berechneter Technik. All das Seelenlose bricht den Charakter des Songs dennoch nicht. Er marschiert voran, fünf Minuten lang, über die Berge und weit, weit weg. Vielleicht ist es die Seele Moores, die ihm das Fieber verleiht, das einen guten Rocksong so heiß bewegt. Das ganze Album entstand nach einem Besuch seiner alten Heimatstadt Belfast, er ist ein Belfast Child, und es kommt mir vor wie Sehnsucht, die aus dem satten Bending seines Saitenspiels nach Stillung schreit. Er erzählt die Geschichte eines Angeklagten, der über die Berge flieht und dessen Herz ihn in die Arme seiner Liebsten an einem fernen Tage zurückführen wird.

Over the hills and far away
He swears he will return one day
Far from the mountains
and the seas
Back in her arms again he’ll be
Over the hills and far away

Was ich höre, ist Verzweiflung, Trotz und Hoffnung; ein melodramatisches Werk, dessen Dichtung als rotes Band die rüden Riffs zu zähmen in der Lage ist, ohne ihre Energie verrauchen zu lassen. Die Textur des Songs ist ein klarer Weg, erhellt von den Leuchtfeuern der Zuversicht. Ein Pfad der Tugend, weil er mit Liebe gepflastert wird, die den Angeklagten zurückbringen soll zu seiner Angebeteten. Er sitzt ein, schaut durch die Gitterstäbe zum Mond; wenn er auch alles verloren hat, ihm bleibt doch der Gedanke, zu ihr zurückzukehren. Er ist das einzige Gold, das er investieren kann.

„Over the hills and far away“ strömt mutig voran, heroisch fließend, wie ein wilder Fluss. Moores Stimme klingt von weit oben auf die Landschaft niederfallend wie Gewitterregen. Der Mann, der schon als 16-Jähriger bei Skid Row spielte und der die Grenzen zwischen Rock und Jazz zerfließen ließ, um schließlich freudvoll im Blues zu ertrinken, ist mir lebendig in Erinnerung geblieben, obwohl er schon astral geerntet wurde. Sein Stern glüht heiß und hell, über die Berge und weit, weit hinaus, über alle wilden Grenzen hinweg, schimmert über den „Parisienne Walkaways“ und funkelt „Out in den fields“.