Ach, Freunde, ich bin immer noch so sehr in Blues-Stimmung. Also kann ich nicht anders, als hier noch einen Leckerbissen zu servieren – und das ist diesmal ein richtiger Klassiker-Brocken: „Me and Bobby McGee“. Okay, man könnte die Nummer auch als Country bezeichnen. Aber ist es nicht schön, wenn Genre-Grenzen verschwimmen? Wir das Schubladendenken mal zur Seite legen und einfach nur lauschen, genießen, fühlen?

„Me and Bobby McGee“ wurde durch Janis Joplin 1971 zum Nummer-1-Hit. Ich wundere mich, dass wir diese Ausnahmekünstlerin bislang in unserer Hi(t)story vernachlässigt haben, hat sie doch damals alles mitgebracht, was eine Musikerin braucht: Stimme, Talent, Präsenz und eine Aura von Drama um sich. Viel zu früh ist sie gestorben und gehört damit zu dem sagenumwobenen „Klub 27“ – jener Kreis von Künstlern, die im Alter von 27 Jahren starben, darunter James Dean, Jimmy Hendrix, Jim Morrison, Kurt Cobain, Amy Winehouse, um nur einige zu nennen.

Der Song kam indes über Umwege zu mir: Melissa Etheridge coverte ihn in den 1980er- und 1990er-Jahren gern auf ihren Konzerten. Und so drang er denn auch an mein Ohr. Zwar wusste ich damals, dass der Song einen viel älteren Ursprung hatte, beschäftigte mich aber nicht weiter damit. Bis mir eine „Greatest Hits“-Scheibe von Janis Joplin in die Hände fiel und ich ein Déjà-vu erlebte, war doch der fünfte Track auf der CD eben jener „Me and Bobby McGee“. Joplins Version gefiel mir noch viel besser als die Live-Interpretation von Etheridge, weshalb ich ihn eine Zeit lang rauf und runter hörte.

Aber auch Janis Joplins Version ist nicht die originale. 1969 schrieben Kris Kristofferson und Fred Foster die Nummer als Country-Song. Die Originalaufnahme stammt indes von Country-Sänger Roger Miller, der ihn am 16. und 21. Mai 1969 von Jerry Kennedy in den Monument Recording Studios produzieren ließ. Ein wenig verwirrend, ich gebe es zu.

Was ich an dieser Nummer liebe, ist nicht nur die tolle Instrumentierung (unter anderem Akustikgitarre, Steelguitar, Orgel), sondern auch die Geschichte, die besungen wird: Ein Paar reist als Anhalter durch das Land und singt mundharmonikaspielend Blues. Unerwartet lässt der Protagonist seine Partnerin Bobby davonziehen, irgendwo in der Nähe von Salinas („Somewhere near Salinas, I let her slip away“), da sie offenbar doch etwas anderes sucht als das Leben auf der Straße („looking for the home I hope she’ll find“). Im Rückblick sinniert er darüber, dass Freiheit nichts anderes bedeutet, als dass man nichts mehr zu verlieren hat („Freedom’s just another word for nothing left to lose“). Trotz des Blues-Touches klingt die Nummer wie ein Guter-Laune-Song.

Und für alle, die an Fakten interessiert sind: Insgesamt erschienen mindestens 47 Coverversionen von „Me and Bobby McGee“. Eine der ersten stammt von Kenny Rogers, der den Song auf seiner LP „Ruby, Don’t Take Your Love to Town“ (1969) berücksichtigte. Es folgte John Buck „Bucky“ Wilkin auf seiner LP „In Search of Food, Clothing, Shelter and Sex“ (1970). Gordon Lightfoot (Mai 1970), Statler Brothers (Dezember 1970), Bill Anderson (Dezember 1970) oder Bobby Bare (Juli 1971) waren einige der frühen Country-Stars, die den Song in ihr Repertoire aufnahmen. Jerry Lee Lewis transportierte seine Country-Version 1971 zum ersten Rang der Country-Charts. Weitere bekannte Interpretationen stammen von Bill Haley & His Comets (1971), Grateful Dead (1971), LeAnn Rimes (1999) oder Dolly Parton (2005). Gianna Nannini nahm für das Album „California“ eine italienische Version unter dem Titel „Io e Bobby McGee“ (1979), Renate Kern 1971 mit „Er nahm ein anderes Mädchen“ eine deutsche Version auf.