Eins hat Corona geschaffen, das ich nicht dem Negativen zuordne: Raum und Zeit zum Nachdenken. Zur Selbstreflexion, zur Selbst- und zur Wahrnehmung anderer. Man blickt zurück auf das gesellschaftliche, wirtschaftliche und wissenschaftliche Leben in den Jahren vor der Pandemie, bewertet, be- und verurteilt (neu). Das geht in der ein oder anderen Form wohl jedem derzeit so.
In diesen Zeiten der Reflexion passt ein Song so wunderbar, der zugleich weitere Themen, Sorgen, Missstände aufgreift und thematisiert: „Weltbilder“ von Jennifer Rostock, 2017 auf dem Album „Worst Of“ erschienen.

Auch wenn diese deutsche Band schon einmal den Weg in unsere „Hi(t)story“-Rubrik geschafft hat, so schaffe ich es wiederum nicht, diese Nummer zu ignorieren und Ihnen nicht ans Herz – oder ins Ohr – zu legen. Denn hier geht es nicht darum, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, sondern zu verstehen, warum der Mensch so agiert, so bewertet, so vor-urteilt, wie er es eben (meist) tut. Die Nummer beginnt mit den Zeilen:

„Zwischen die Sterne, die am Nachthimmel strahlen
Zeichnen wir Bilder, spielen Malen nach Zahlen
Wir kritzeln ins Weltall stellare Figuren
Für ein bisschen Struktur“
und fragt im Refrain:
„Aber was, wenn das alles nicht reell ist?
Wenn unser Weltbild nur ein Bild und nicht die Welt ist?
Aber was, wenn in Wirklichkeit die Realität ganz anders geht?“

Und so hoffe ich, dass wir in diesen Stillstandzeiten in uns hineinhorchen, unsere Taten hinterfragen, unser Weltbild neu beleuchten, uns erfreuen an dem, was wir haben, an Gesundheit, ein Dach über dem Kopf, liebe Freunde, unserem Job und unserer Freiheit. Dass wir die beachten, denen es weniger gutgeht, die auf der Schattenseite des Lebens stehen; dass wir sehen, wo wir gebraucht werden und wo wir helfen können. Denn ich merke immer mehr, dass uns Corona auch eins gebracht hat: eine Kultur des menschlichen Miteinanders, die wir längst verloren gegangen glaubten. Und dann weniger nach diesem Muster leben:
„Wir nehmen uns die Zeit und schneiden sie klein
Bis nichts davon bleibt außer Daten und Deadlines
Stellen unser Leben nach Kalender und Uhr
Für ein bisschen Struktur“

Zu der Band selbst gibt es wohl nichts mehr zu sagen und zu schreiben, ich habe die Jungs und Jennifer Weist längst ausgiebig vorgestellt. Diesmal braucht es also nichts mehr, als die Augen zu schließen und diesem wunderschönen Song zu lauschen, der mich immer wieder tief bewegt, der mich vergeben lässt und mir Hoffnung macht.