Da heben sie ab, die Spaceshuttles Freedom und Independence. An Bord ein Haufen abgewrackter Draufgänger und Dynamit, um einen auf die Erde zurasenden Asteroiden zu sprengen. Der 1000-Kilometer-Bolid wird zu Staub; es sitzt ja auch Gottes rechte Hand Bruce Willis alias Ölbohrexperte Harry Stamper in der röddernden Raumkapsel und hält Kurs auf die Mammutmurmel. Drauf gelandet, Zündschnur gelegt, eine geraucht, und dann ist Silvester!

Zum 1998er Blockbuster hatte Produzent Jerry Bruckheimer einen erstklassigen Soundtrack in Auftrag gegeben, auf dem Aerosmith-Megalippe Steven Tyler wie vom Donner gerührt „I don’t want to miss a thing“ kräht, weil Tochter Liv eine der Hauptrollen spielt. Dazu ZZ Top, Bob Seger, Jon Bon Jovi. An was erinnere ich mich? An „Remember me“. Bedeutet: „Erinnere dich an mich.“ Deswegen erinnere ich mich ja.

Die Band Journey rockte so mit neuem Sänger Steve Augeri aus der Gruppengruft hinauf ans Licht. Eine drahtige Nummer, vorantorpedierend mit metallischem Gesang, sehnigen Riffs und stampedisch begleitendem Schlagzeug. Es klingt wahrhaftig, als karappelten die Mannen der 1973 in San Francisco gegründeten Rockband dem Tag der Entscheidung höchstselbst entgegen.

Ich liebe das, wenn ein paar wenige Akkorde auf Drahtseiten als Opener so eingesetzt werden wie der Choke im Renault 4, um das Spiel der Zylinder binnen Sekunden auf volle Pulle zu bringen. Blauer Rauch steigt auf und die Seele brennt. Fünf-, sechsmal das Plektron über die Saiten gezogen, dann fängt die Bande Feuer. „Remember me“ ist simpel, das ist das Geniale an dem kräftigen Zeugs; Strophe, Refrain, Solo, Strophe, Refrain, Zwischenstück, Refrain, Refrain, dann die Ausblende und Welt gerettet. Das Hymnische, das mich fliegen lässt, formt sich aus Klang, Sphäre und Utopie.

Als ich 2011 wegen Foreigner zur Parkbühne Hannover ge-S-bahnt war, ahnte ich nicht, wie mir Journey (Vorprogramm) gefällt. Habe keine Platte von denen, kenne keinen Musiker mit Namen, ohne nicht im Rock-Almanach zu suchen, und außer „Don’t Stop Believin‘“ und „Wheel in the sky“ fiele mir kein anderer Hit ein. Das liegt an ihrer DNA. Dieses Geschwader, das sich häutet wie eine Schlange und seit über vierzig Jahren ständig erneuert, teilt sich das Schicksal mit anderen wie etwa den Doobie Brothers oder Kansas, außerhalb der Staaten weniger Wirkung zu erzielen; der so wichtige britische Musikmarkt ignorierte diese Gruppen fast völlig.

Berauschende Hymne für die Freiheit

Es waren immer nur Ausreißer, mit denen Journey (40 Millionen verkaufte Tonträger!) in Europa Akzente setzte. Aber hurra, sie lebt noch, die Garde der Adult Orientated Rocker – und hat erst 2019 ein Sahne-Live-Album veröffentlicht, ein Doppelsilberling in fantastischer Klangqualität, mitgeschnitten bei einem Gig in Japan. Sänger ist jetzt Arnel Pineda, gebürtiger Philippine, der seinen fünf Vorgängern in nichts nachsteht, mit 53 Jahren aus Sicht der Gründer ein Jungspund ist und aussieht wie 37. Die Platte hol‘ ich mir, is‘ klar.

Bevor ich das tue, freue ich mich aber, „Remember me“ an einem Tag vorzustellen, an dem ein treuer Freund und Redakteurskollege (und genau in dieser Reihenfolge) den Bürostuhl gegen eine Vespa wechselt. Die ist langsamer als ein Spaceshuttle, aber schnell genug für entspannte Fahrten Richtung Sonnenauf- und -untergang. So wird „Remember me“ – mit leichter Wehmut durchtränkt – zur rauschenden Hymne für die Freiheit. Uli, das ist für Dich!