Da hebt er ab, der alte Kerosinbomber, mölmert dorthin, wo die Freiheit grenzenlos ist, und in der First Class haben Peter, Paul & Mary Tomatensaft in den Gläsern und ziehen sich ’nen Krabbencocktail rein. Mit „Leaving on a jet plane“ flogen sie 1969 bis an die Spitze des musikalischen Glücksgefühls: die Nummer 1 in den US-Billboard-Charts. Mit anderen Worten: Ausgesorgt! Für einen Privatjet hat‘s nicht gereicht, aber mit der millionenfach verkauften Nummer brauchten sie keine billigen Plätze mehr zu buchen. Dass ihnen dieser Erfolg mit drei Allerweltsnamen gelang, von denen Paul auch noch ein Fake ist, macht mich nachdenklich.

Hört sich an wie Dieter, Horst und Walter …

Ich stelle mir immer vor, wie ich als Manager eine deutsche Band promote, sie Dieter, Horst & Walter nenne und „Im Flieger auf und davon“ trällern lasse. Horst hieße aber nur deshalb Horst, weil sein richtiger Name Helmut einfach nicht passt … Merkwürdig, nicht wahr? Aber die Sache kann ich ohnehin vergessen, weil Reinhard Mey – ist das sein echter Name? – mit „Über den Wolken“ schon ganz hoch hinaus flog.

PP&Ms Meistermucke kam auch in Großbritannien bis fast ganz nach oben (Platz 2) Überhaupt galt das Trio in den Sechzigerjahren als ikonische Band der Folkmusikbewegung; das sprach sich eben nicht nur in den Vereinigten Staaten herum, sondern glänzte weit über deren Grenzen hinaus. Dabei fällt auf, dass Peter Yarrow (das ist Peter), Noel Stookey (das ist Paul) und Mary Travers (das ist Mary) vor allem mit solchen Tracks durchstarteten, die sie nicht selbst geschrieben hatten. Bob Dylans gemütsstürmisches „Blowin‘ in the wind“ hievten sie mit ihrer sanften Interpretation 1963 bis auf Platz 2 der US-Charts, auch ihre Version seines „Don‘t think twice ist all right“ rauschte in die Top Ten.

Und es war ja kein Geringerer als John Denver himself, der „Leaving on a jet plane“ geschrieben hatte. Für PP&M wurde es ihr größter Erfolg – und war gleichzeitig der Abgesang des Trios, das sich kaum ein Jahr nach der Veröffentlichung trennte. Alle drei gingen Solopfade, keiner besonders erfolgreich. Die Sache mit der First Class war erledigt; jetzt musste wieder Holzklasse gebucht werden.

Aber welch eine Harmonie in diesem Denverstück! Nylonsaitig schmiegt sich der Song von Anbeginn wie Bodylotion an uns; Mary Travers seift uns mit hauchzartem Timbre ein, während die zwei Ps im Background schwermütig mitjodeln. Ich finde, dass die Komposition sehr stimmig auf ihren Inhalt getrimmt worden ist. Sie benötigt keine zehn Sekunden, um uns gefangen zu nehmen; ein Stück, das wir Lauschenden bei jedem Abschied, bei jedem Wiedersehen wehmütig in der Seele schmerzen und freuen fühlen. Ein Treueschwur, würdevoll in Harmonien gegossen, und es kommt mir höchst seltsam vor, dieses Lied mit einem solchen Titel jetzt im Sinn zu haben, da in Afghanistan Menschen auf rettende Flugzeuge warten, die viel wichtiger sind als die alte Propellerkiste von PPM.

Der Stimmung dieses Hits, der heute wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint, soll dies keinen Abbruch tun. Er ist nicht modern, aber schön. Bei vielen Songs von heute ist es ja leider umgekehrt. Zudem ist da noch die Sache, die die Musik grundsätzlich so wertvoll macht und die hier hundertprozentig zutrifft: Authentizität. Wir spüren hier, wie wir im Terminal stehen, nach Worten ringen, Tränen des Abschieds weinen, wir hören die Rauschgeräusche der Startenden und Landenden, wir fühlen das Sich-Verzehren schwer Verliebter, die einen allerletzten Kuss, einen allerletzten Blick tauschen, bevor sich ihre Wege trennen. Für Tage nur, für Wochen, vielleicht für immer. Melancholie myriadenhaft. Ready für Take-off.