Metallica und Country – geht das? Kurze Antwort: ja! Auf ihrem Album „Load“ aus dem Jahr 1996 findet sich tatsächlich eine Nummer, die doch ziemlich Country-angehaucht ist: „Mama Said“. Ich habe diesen Song von Anfang an geliebt! Und damals hatte ich mit Country-Musik noch so gar nichts am Hut … Wer weiß, vielleicht gab dieses Lied ja den (unbewussten) Ausschlag?

„Load“, das sechste Studio-Album meiner Helden, stieß nicht bei jedem Fan auf jubelnde Kritik. Das ewige Dilemma im Metal ist wohl hinreichend bekannt: Ändert eine Band ihren etablierten Stil, wird ihr Verrat vorgeworfen. Viele Metaller sehen es lieber, wenn eine Band jedes Jahr immer und immer wieder das gleiche Album herausbringt – nur unter anderem Namen und mit anders betitelten Songs. Ehrlich gesagt: Ich liebe euch/uns Metalheads, aber diese Sichtweise ist nicht meine. Viel zu langweilig! Umso erfreuter war ich, dass es sich damals die größte und bekannteste Metal-Band traute, eine Scheibe abzuliefern, die nicht von schreddernden Riffs, wenig Bass und Schema F lebt. „Unerträglich“ und „lästig“, schimpften nicht wenige über das Werk.

Mich, im Gegensatz, brachte es zurück zu James Hetfield & Co. Der Erfolg des selbstbetitelten „Schwarzen Albums“ war lange verflogen – fünf Jahre, um genau zu sein –, die Mannen hatten sich lange nicht live in meiner Gegend blicken lassen. Ich campte in jenem Sommer mit drei Freundinnen auf einem Musik-Festival in Dänemark („Midtfyns“ – gibt es heute nicht mehr), ärgerte mich über das schlechte Wetter und über unsere Zeltnachbarn: Die Dänen, die ihren „Anführer“ Pocahontas nannten, bauten ein regelrechtes Fort neben unserer kleinen Parzelle auf. Wo hatten sie bloß das ganze Holz her?

Aber plötzlich, zwischen dem Chaos und mäßiger Laune: himmlische Klänge! Sinnvoll aufbauende Akkorde, eine tiefe Gesangsstimme, hart und trotzdem melodiös: Meine Freundin und ich guckten uns an: „Das klingt nach Metallica!“ Bis dahin wussten wir nichts von einem neuen Album, folgten der Band nicht, wie heute, auf sämtlichen Kanälen (wie auch – damals gab’s ja kaum welche!). Und trotzdem: Diese Unverwechselbarkeit ließ uns aufhorchen. Wenige Minuten später saßen wir bei den Nachbarn der Nachbarn und hörten „Load“ rauf und runter.

Und dann eben jene Nummer: „Mama Said“. Das Ungewöhnliche an dem Ungewöhnlichen. Neben akustischer Gitarre erklingt im Chorus sogar eine Steelguitar. Sänger James Hetfield ist ein Fan von Country-Musik. Ab und an tauscht er gern mal seine Gibson Explorer mit einer mit Stahlsaiten bespannten Gitarre, die mit einem sogenannten Bottleneck oder Slide-Bar gespielt wird. Ein typisches Stilmittel in der Country-Musik. Und so verwundert es vielleicht auch nicht, dass der heute 57-Jährige auch schon solo bei den Country Music Awards aufgetreten ist: 2004 performte er bei der traditionellen Preisverleihung in Las Vegas Waylon Jennings‘ „Don’t You Think This Outlaw Bit’s Done Gone Out of Hand.“

Um den Song „Mama Said“ zu verstehen, muss man die Geschichte von James Hetfield kennen: Er wuchs in einer streng religiösen Familie auf, seine Eltern gehörten zu der „Christian Science“-Sekte. James‘ Vater und Mutter wollten nie ärztliche Hilfe, sie erwarteten stattdessen Heilung durch Gott. James war erst 16, als seine Mutter starb. Dieses Erlebnis arbeitet er in vielen seiner Songs auf. Mit deutlichem Hass auf besagte religiöse Gruppe. In „Mama Said“ singt er aber einfach darüber, wie sehr er seine Mutter vermisst und wie es wohl sein wird, wenn er sie irgendwann wiedersieht. Was für ein Seelenstriptease!