Da ist er wieder. Heute mit kurzen Haaren, ohne umgehängten türkis-farbenem Bass, erwachsen geworden, aber immer noch mit dem spitzbübischem Lächeln, das er schon damals auflegen konnte. Heute spielt er nicht mehr vor ausverkauftem Stadion und dicht drängelnden Teenie-Massen, sondern vor sitzendem Publikum. Vor 20 oder 25 Jahren hätte die Menge gekreischt, sodass man kaum eine Note der auf der Bühne spielenden Musiker gehört hätte. Heute: erwartungsvolle Stille, statt „Padyyyy, I loooove you!!!“

Der einstige Teenie-Schwarm
ist erwachsen geworden

Ja, da war er wieder. Der Paddy – oder, wie er sich heute nennt: Michael Patrick Kelly. Zugegeben, es ist etwas verwirrend. Ist der Mann da auf dem Podium tatsächlich der Teenie-Schwarm von einst? Surreal irgendwie, wie ich da so brav auf meinem Platz sitze, niemand um mich herum ausflippt. Ja, es ist surreal. Surreal, aber schön. Nicht nur Paddy ist erwachsen geworden, sondern auch seine Anhänger, die auch heute noch zum Großteil des weiblichen Geschlechts zugehörig sind.
Füße wippen, Hände klatschen, hier und da singt jemand mit. Mitsingen, das war damals auch so eine Sache. Gegrölt und geschrien haben wir bei den Konzerten der Kelly Family, stets angeführt von Paddy. Seine Geschwister hat er heute nicht mehr dabei. Sechs von ihnen hatten sich mittlerweile wieder zusammengefunden und gaben wieder Konzerte in den größten Hallen in Deutschland, den Niederlanden, Polen. Vier Jahre lang ein unfassbares Spektakel. Back to our teenage years. Jedoch ohne Paddy. Pardon, Michael Patrick Kelly, oder kurz: „MPK“ (Empiekej). Der Mann ist gereift, brauchte ein paar Jahre im Kloster, um sich selbst zu finden. Nun macht er seine eigene Musik.
Endlich kommt Bewegung ins Publikum. „Renegade“ wird angestimmt. MPK und seine Musiker legen noch eine Schippe drauf und steigern das Tempo. „Lalala lalala Leyda, Lalala lalala ley“ – das kann jeder mitsingen, auch diejenigen, die heute nicht mehr so textsicher sind. Obwohl: Gibt es die überhaupt? Nach und nach stehen die Fans auf, wiegen sich im Rhythmus, tanzen auf der Stelle (wie schon erwähnt: Der Saal ist bestuhlt), heben die Arme. Glück spiegelt sich auf den Gesichtern. Freude. Freude darüber, ihrem Idol von einst endlich wieder nah sein zu können. Näher als in den verrückten 90er-Jahren auf jeden Fall. Denn damals wurden die „Kellys“ abgeschirmt; kaum eine Chance, einem Familienmitglied zu begegnen, ein Wort zu wechseln, ein Foto zu machen. Auch das hat sich geändert. MPK ist nahbar – und offenbar auch dankbar dafür. Und so singt er gemeinsam mit seinem Publikum:

„I’m running for my life,
oh no – So long my friend
so long“

von vergangenen Zeiten. Zeiten der Einsamkeit, der Flucht, der Selbstmordgedanken. Ja, so schlimm waren die Jahre des „Star-Seins“. Paddy fand Zuflucht bei französischen Mönchen, wurde selbst einer.

Bruder John Paul Mary
fand Zuflucht im Kloster

Bruder John Paul Mary. Im katholischen Kloster des Ordens der Gemeinschaft vom heiligen Johannes in Burgund konnte er heilen. Und als gereifter Musiker zurückkommen. Einer, der die Seele in seinen Songs heute mehr denn je spüren lässt. Wir sagen tschüss zu den alten Zeiten mit „Renegade“, mit „There’s a dark side in everyone – I’m spoiling the breeze with the smoke of my gun“. Das spitzbübische, verschmitzte Grinsen ist geblieben.