Wer glaubt, der „Solsbury Hill“ sei ein frei erfundener Berg, tapert auf irrigem Grunde: Die Anhöhe thront mit 191 Metern in der Tat sehr real über der Stadt Bath in der Grafschaft Somerset in good old Great Britain. Ich werde sie niemals bezwingen, weil mich in ebenjener Kulturmetropole ein nicht bezahltes Ticket fürs Parken im absoluten Halteverbot vor mehr als zwanzig Jahren vermutlich noch heute in den Knast zwingen würde.

Die Briten kennen da keine Gnade und vermittelten mir mit Vergnügen einen Ferienaufenthalt in Dartmoor Prison, wo die Hunde von Baskerville so laut knurren, dass einem die Backen auf Grundeis gehen. Hätte ich damals schon gewusst, dass sich Peter Gabriels erste Single 1977 nach dem Ausstieg bei Genesis um den grasbewachsenen Klumpen vor den Toren der Badestadt dreht, wäre ich natürlich hinaufgeschlappt, um des Meisters Aura zu spüren. Zu spät; ich weide mich weiterhin nur akustisch an dieser Landschaft, an diesem Song, der fast durchgängig im 7/8-Takt aufgebaut ist und den Eindruck vermittelt, wir könnten uns aus Ketten befreien.

Als wenn dieses Lied Ketten sprengen könnte

Das tat Gabriel damals, nach schweren Gewittern über heimischer See, auch. Abschied genommen von seiner Band und seinem Alter Ego, der schillernden Persönlichkeit in ihren aus Wahnsinn und Versuchung geborenen Bühnenverkleidungen. Good-bye gesagt zur Routine, aufgebrochen zu neuen Ufern. „Es geht um die Bereitschaft, zu verlieren, was du hast und was du dafür bekommen könntest. Es geht darum, loszulassen“, sagt der Künstler.

Er tat es aus Gründen seiner Leidenschaft zur Musik, für die der Brite bisweilen auch Wege eingeschlagen hat, die mir auf immer fremd erscheinen, wenn er auf seiner Kopfschmerz-CD „Up“ von „Sky Blue“ singt und den Himmel dabei schwarz wie die Seele des Teufels dräuen lässt. Das Schauerliche ist gut, aber nicht im Übermaß. Nur noch Heul und Jammer zu veranstalten, ach nee, das ist mir zu viel. Vielleicht mag ich „Solsbury Hill“ von ihm deshalb nach wie vor am liebsten. Nicht zu verkopft und dennoch mit einer lyrischen Tiefe verbunden, die sich in einem kompositorischen Bett ausbreitet, das nach Cream Tea schmeckt. Die Schwere seiner Worte droht im Kontext zwischen Verzweiflung und Aufbruch nicht den Pfad zu verlieren, weil das mitreißende Moment, das einem mitreisenden (…) gleichkommt, Wärme und Zuversicht ausstrahlt. Und es ist mindestens bemerkenswert, dass der Künstler diese schwergewichtige Dichtung bis zum Gipfel des Berges schleppt, jeden verdammten Zentimeter hinauf auf den „Solsbury Hill“.

Climbing up on Solsbury Hill
I could see the city light
Wind was blowing,
time stood still
Eagle flew out of the night.

Tage des Wechsels; Peter Gabriel beschreibt sie mit den Schritten, die ihn hinaufführen, den Lichtern der Stadt, dem Wind, der stehenden Zeit und den Adlern, die ihre Flügel ausbreiten. Es schwingt Tragisches in seinen Worten, es weht Mystisches durch jeden Millimeter Melodie, und wo die Seele brennt, steht ein Feuerlöscher aus schöpferischer Versdichtung. Die Urkraft seiner Worte vermischt sich mit den Strudeln glücklich stimmender Harmonien; euphorisch breitet sich Peter Gabriels stämmiger Gesang über der Instrumentierung aus und hebt einen mehr als gefälligen Rocksong in den Olymp des auf alle Zeit hymnisch Bleibenden, der Jahrzehnte später so unverbraucht klingt wie am Tage seiner Veröffentlichung. Und kein Remake, das mich jemals fröhlicher stimmen mag. Lasst es bitte bleiben.