Die Bläsersätze sind‘s, dieser bombastische Big-Band-Sound, der aus dem Background wie Sturmböen forsch nach vorne sticht. Nach vorne, wo Bill Ramsey wie ein alter Hase seine Krimi-Mimi besingt, obwohl er 1962 noch jung an Jahren ist. Ein fantastischer Fröhlichmacher, überhaupt nicht platt, sondern mit jazzigem Hauche marmoriert und von Ramseys rauer Rödelei am Mikrofon unendlich hingebungsvoll dargeboten. Das ist ein Schlager, der rockt – und mit nichts zu vergleichen, was die Branche heute zu verbrechen sich traut, wenn ihre Protagonisten blöde am Ballermann grölen oder wie Zirkuskünstler unter der Hallendecke im Fransenfummel Turnübungen machen, um die musikalischen Verfehlungen zu kaschieren.

Tragende Säulen sind die fetzigen Trompeten

Das hatte Bill Ramsey nicht nötig. Er stand vor einer ausgebufften Big Band, zuckte, blinzelte und tänzelte ein bisschen stocksteif herum und benötigte nicht viel mehr als seine unfassbar komische Mimik, um unsere Herzen zu erobern. Meines auf jeden Fall. Hat noch immer funktioniert. Bis heute! Obwohl die Songs allesamt zu Hits wurden, als ich noch jahrelang darauf warten musste, um überhaupt geboren zu werden. Die Halbwertszeit dieser gut gemeinten wie gut gemachten Lieder von damals ist erstaunlich groß, die Halbwertszeit heutiger Schlager entspricht vermutlich der von Harzer Rollern.
Das Geheimnis des Erfolgs liegt nicht in der Botschaft, sondern in der Freude, die diese Songs vermitteln. Auch die „Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe“ oder „Souvenirs“, Ramseys weitere Kracher aus seiner monetär erfolgreichsten Schaffenszeit, glänzen nicht als gesungenes Korrektiv zu politischen oder gesellschaftlichen Themen. Aber sie sind sehr gut produziert worden. „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“, komponiert von Heinz Gietz, einem der erfolgreichsten Nachkriegskomponisten in Deutschland, und getextet von Dichter, Zeichner und Cartoonist Hans Bradke, schwappt wie eine Welle des Wohlgefühls über uns. Das Arrangement ist in höchstem Maße harmonisch um Ramseys Gesang gewebt worden, ummantelt seine Kratzbürstentonlage und besteht aus einer Aneinanderreihung von zurücknehmen und nach vorne preschen. Tragende Säulen sind die fetzigen Trompeten und Posaunen, die die Verse durchstechen, als wenn sie selbst Silben und Worte bildeten; dazu im Hintergrund ein leises, stetes „Ticke-di-tick“ als roter Faden, ein bisschen was Geklimpertes, ein wenig Saitenarbeit, mehr nicht. Dennoch eine große Woge an Gefühl und Berührtheit. Nichts davon ist albern, alles ist beschwingt.

Kunst kommt von Können – das ist das Geheimnis

Ich frage mich, der den ewigen Rebell Rock ’n‘ Roll stets mit sich führt, weshalb mir dieses Lied so gut gefällt. Ich finde eine Antwort in der Annahme, dass Kunst von Können kommt. Bill Ramseys musikalischer Hintergrund, als Gewinner mehrerer Jazzwettbewerbe sich auch auf den Schlager eingelassen zu haben, spielt eine große Rolle. Der verliert auch vor dem Anblick eines mannigfaltig besetzten Orchesters nicht den Mut, macht sich nicht in die Hose, sondern stellt sich vorne ans Mikro und steuert die Truppe als Kapitän in aufrührendes Fahrwasser. Ramsey nimmt jede Welle, um darauf voranzukommen, und weiß, was er tut. Ihm zuzuhören, ist größtmögliches Vergnügen – nur für Mimi nicht. Die liest lieber.

Ohne Krimi geht die Mimi
nie ins Bett
Nie ins Bett, nie ins Bett
Mimi hat den Krimi
und die Interpol
Und ich den Alkohol.“