Hauchzart wie erstes sanftes Streicheln am Morgen, der einen Tag unbeschwerter Zweisamkeit verspricht, noch Schlaf in den Augen, aber ein Zucken in den Lenden, so feinherb tröpfelt „You’ve got it“ mit spürbarer Süße ins Gemüt, nicht zu klebrig, sondern perfekt austariert. Als wenn der Kaffeeduft schon aus der Küche ins Schlafgemach zu schweben scheint und Mick Hucknall, rostrotgelockter Ritter der Gefühlsechtheit, zum Zwecke des Wachwerdens haargenau dieses Nümmerchen aufs Notenblatt geschoben hat.

Machen wir uns nichts vor: Simply Red, die Band, die dem Blue-Eyed Soul im Großbritannien der Achtzigerjahre eine neue Qualität gab, war richtungsweisend für die ganze Welt, und nur weil ein paar sehr sämige Liedlein im Verbund der sich ständig wechselnden Musikergemeinschaft (weit über zwanzig Beteiligte in immer neuen Konstellationen) luschiges Restgemüse sind, bleiben „Holding back the years“, „The right thing“ oder das empfindsame „You’ve got it“ dennoch auf den Punkt bereitete Sterne-Speisen.

Es ist nicht fade, es dümpelt nicht halbkalt vor sich hin, sondern hat Bedeutung. Es ist vermutlich auch kein Können, sondern Talent, das Gespür für Harmonien mit einer Leichtigkeit zu versehen, die an Ernsthaftigkeit nicht zu überbieten ist … Alles klingt so einfach, so sorglos bei Mick Hucknall. Der singt ja nur von Liebe? Ha, Irrtum! Eben darin liegt die Herausforderung. Es gibt nichts Schwieriges als von Verlangen und Verstören zu singen.

Wer das nicht kann, bleibt einsam. Hier, bei „You’ve got it“, strömt das Sich-Sehnende ins Zweifelnde, mischt sich alles, was mit gebrochenem, hoffendem, beichtendem Herzen zu tun hat. Ein anrührendes Bouquet, das keinerlei Anstalten macht, über sich hinauswachsen zu wollen, sondern dreieinhalb Minuten lang konsequent lässige Linie bewahrt. Gewiss kratzt das Seichte, Mühelose des Pop ’n‘ Soul oft an der Grenze zum Bedeutungslosen, doch Mick Hucknalls à point fließende Stimme ist wie Nektar und füllt die Fugen zwischen dem Instrumentalen. Er spielt mit Höhen und Timbre; sein Vokaltrakt ist vermutlich mit Blattgold versehen. Dabei muss man ihm nicht bescheinigen, ein lupenrein geschulter Sänger zu sein, dessen Güte in Oktaven zu bewerten wäre. Der braucht kein Diplom, der singt, wie ihm die Bänder gewachsen sind, huscht aus legeren Niederungen in unangestrengte Höhen und macht einen einfachen Popsong zur Soulballade.

„You’ve got it“ ist ein Fest für Leisereiter, die nichts Schlechtes daran finden können, dass die Brüllmeilen auf Mallorca und anderswo von der miesen Schlampe Corona zwischenzeitlich entvölkert wurden und die Welt sich auch grundsätzlich mal langsamer dreht. Die melodische Dimension ist überschaubar, aber die subtile Vitalität des Liebesliedes puckert wie systolisch-diastolische 120 zu 80 und hält „You’ve got it“ auf geschmeidiger Umlaufbahn. Überhaupt erachte ich Simply Red als eine Art musikalischen Ruhepol. Nichts war hier je auf Sensation getrimmt, sondern immer auf Emotion. Es wurde zum Erfolgsrezept im Spannungsfeld von Gefühlsgetümmel und Discoavancen.