Für den Wert einer Immobilie entscheidend sind drei Kriterien: Lage, Lage, Lage! Das „House of the rising sun“ von den Animals war 1964 nicht mal vier Pfund wert; die Lage war wohl bescheiden. Nun ja: Rotlichtviertel, Drogenmilieu oder irgendwas dazwischen in New Orleans – nicht gerade ’ne traumhafte Gegend, von der hier gesungen wird … Jedenfalls: Drei Pfund und ein paar poplige Pence prokelte Produzent Mickie Most aus dem Portemonnaie – für das Anmieten der Kingsway Recording Studios in London. Schnäppchen!

The Animals – Eric Burdon (Gesang), Alan Price (Orgel), Chas Chandler (Bass), Hilton Valentine (Gitarre) und John Steel (Schlagzeug) – nahmen die Nummer in einem einzigen Take auf. Reingehen, einmal rocken und dann sofort das Weite suchen, vielleicht ins nächstbeste Pub schwanken, ’n Bier drauf trinken. Nach weniger als einer halben Stunde war der Drops gelutscht! 30 günstige Minuten, in der Musikgeschichte geschrieben wurde. In der gleichen Zeitspanne, in der ich mir morgens die Rübe richte, während der Kaffee durchläuft, in die Jeans springe, vom heißen Schwarzen schlürfe und noch zwei Rosinenbrötchen einwerfe, bevor ich aus dem Haus gehe, haben die Animals ihren Welthit eingespielt. Unfassbar, aber das ist Rock ’n’ Roll! Für meine Hommage an dieses Lied, hier schwarz auf weiß, habe ich ungefähr doppelt so lange gebraucht. Bitter …

Während ich um jedes Wort gerungen habe und doch keines davon dieser Perle der Zeitlosigkeit in irgendeiner Weise gerecht wird, vermag die Botschaft des Songs auf ewig in Tiefen zu schlummern, die nur die Animals selbst beantworten könnten, es aber nicht eindeutig tun, weil sie schlau sind. Und einer war besonders schlau: Alan Price, dessen schaurig-satanisches Orgelsoundspiel mit der „Vox Continental“ wie eine Fanfare am Eingangstor zur Unterwelt wirkt, hatte sich, kaum dass der Take im Studio vollendet war, als alleiniger Urheber des Stücks bei der englischen Gesellschaft für Verwertungsrechte eintragen lassen. Was den Sänger Eric Burdon bis heute auf die Palme bringt. „Ich träume davon, wie ich ihn foltere und umbringe und ihn anschließend in die Themse werfe (…)“, sagt er im Dokumentarfilm „Eric Burdon – Rock ’n’ Roll Animal“. Ich kann’s nachvollziehen …

There is a house
in New Orleans.
They call the Rising Sun.
And it’s been the ruin
of many a poor boy.
And God, I know I’m one.

Nur diese paar ersten Zeilen braucht es, plus das in a-Moll gespielte Gitarren-Arpeggio Valentines, und schon bin ich, sind wir verzaubert von dieser wundersam wabernden Rüttelplatte der Sechziger. Die Animals haben aus einem US-Folksong eine bombige Bluesnummer geschnitzt; schwer atmend, kolossal wie ein Mammut vorantreibend. Der Boden vibriert, wenn Burdons kratzbürstige Stimme erklingt und vom sündigen Haus an der Conti Street Nr. 535–537 im French Quarter erzählt, ein Gebäude, dessen größter Teil im 19. Jahrhundert niederbrannte und wo bei archäologischen Ausgrabungen in diesem Jahrtausend eine ungeheure Zahl Schminktöpfchen sowie Scherben von Bier- und Brandyflaschen gefunden worden waren. Ein Puff, ein Freudenhaus, fürwahr!?

Das Song-Ich, reumütige Sünderin, warnt vor diesem dämonischen Ort. Irrungen, Wirrungen, Deutungen. – Dieses Lied bleibt im Vagen. Mit „House of the rising sun“ rammten die Animals eine unzerstörbare Säule in den Boden der populären Musik. Als erste britische Band nach den Beatles gelang ihnen mit ihrem Bordellpackage eine Nummer 1 in den US-Charts.