Die „British Invasion“ der Sechzigerjahre war eine verrockte Angelegenheit: Vier Bands stehen für den Wandel, nicht nur für einen musikalischen, sondern einen gesellschaftlichen! Mit kreischenden Teenagern, die sich bei Konzerten vor Aufregung in die Schlüpfer pinkelten, kollabierten und die sich – das waren die Männer – gegenseitig sowie dem Ordnungspersonal und Polizisten aus innerlich tobenden Gefühlen heraus die Schnauze polierten, rödderten die Sechziger nah am Abgrund. Die Beatles vergleichsweise pilzkopfzahm, die Rolling Stones ein Dauerfeuer flammender Emotionen, und „The Who“ tobten wie ein Wirbelsturm mit der Folge, dass die Überlebenden heute nahezu taub sind. Das erste reelle Hardrockriff aber, das bot keine dieser drei Gruppen, das kam von den Kinks. Echt jetzt.

Das erste echt Hardrockriff für die Hymne der Jugend

„You really got me“ krachte 1964 in die UK-Charts nach Art eines Feuerballs, der aus dräuendem Gewölk herniedergeht. Das Lied gilt als Hymne der Jugendlichen jener Zeit. Es war im August, als die Brüder Ray und Dave Davies als perfekt austariertes Duo das ikonische Gitarrenriff in alle Himmelsrichtungen schrammelten; der markant verzerrte Sound war das Ergebnis einer Rasierklinge. Dave Davies hatte damit die Lautsprechermembran seines Klampfenverstärkers aufgeschnitten und darin dann noch Nadeln versenkt. Auf die Idee muss man erst mal kommen.

Und deshalb: volles Brett! Dieses Lied, kaum zweifünfzehn von Davies’ semi-akustischer Harmony Meteor getragen, wurde zum Giganten in einer Zeit, in der die Beatles für den deutschen Markt mit lullig hingelutschtem „Komm gib mir deine Hand“ eine seltsam schlagerhafte Attitüde an den Tag legten. Wenn man bedenkt, dass die Kinks anstatt der sechs Saiten den roten Faden ihres ersten erfolgreichen Songs, der bei Pye Records veröffentlicht wurde, zunächst einem Saxophon zuerkennen wollten oder sollten, ach, es wäre womöglich nichts geworden mit ihrer Rockkarriere. Selbst eine bluesorientierte Version, die der Produzent Shel Talmy bevorzugte, gefiel Ray Davies nicht.

Der aus einer Arbeiterfamilie stammende damals 20-Jährige Londoner wollte mehr Tempo und setzte sich durch. Die raue, mit scharfen Kanten versehene Version, basierend auf Powerchords, obsiegte über ein vermeintlich ästhetisches Jazzgebimmel ebenso wie über die langsame Bluesvariante. Yeah!

„Yeah, you really got me now
You got me so I don’t know what I’m doin‘, now.
Oh yeah, you really got me now
You got me so
I can’t sleep at night.“

Schön laut und ungestüm, so kann man das Verliebtsein nämlich auch musikalisch umsetzen, anstatt jeden Ton und jede Zeile wie in Vaseline zu dippen. „You really got me“ knabbert unentwegt am Gefühl des Erinnerns: „Ja, genau, so haben wir das damals erlebt. War ’ne tolle Zeit.“ Selbst wer erst später verliebt war, weil er in den Sechzigern nicht mal als Käse im Schaufenster lag, kann das vielleicht ja ein bisschen nachfühlen, diese Spannung, dieses Kribbeln, ach ja, bitte tut mir den gefallen, Ihr chattenden Fussel, Facebooker und Tiktoker, weil es abseits der virtuellen Community eine viel schönere Welt gibt. Eine echte. Geht mal raus.

Die doppelte Davies-Gitarren-Arbeit ist ruppig und unverstellt; Pete Quaife lässt den Bass bis in die Magengrube grummeln, die Luft vibriert, die Blicke glühen. Es gibt kein wirklich gutes Video dieser rüden Nummer, wir brauchen auch keines, wir können es uns vorstellen, wie das Quartett damals die Mädels und Jungens gleichermaßen umgehauen hat. Und uns noch heute. Wenn wir dazu bereit sind.