Sehnig turnt „Parachute“ aus den Brüllwürfeln; jede Pore öffnet sich zu einem herzlichen Willkommen. Wie aus der Pole Position saust Trains kapitale Rockschnurre voran, will alle Sorgen hinter sich und uns lassen. Aber da sind die Kurven des Lebens, die nicht mit Vollgas zu bezwingen wären, sondern mit galantem Fahrstil – und in eben diesem Gepräge lenkt die Band aus San Francisco, die im Laufe ihrer tatsächlich schon 25-jährigen Geschichte zwischen Trio und Quintett auf Roots-Rock-Wegen wandelt, erst durch den steten Wechsel zwischen Speed und Drosselung in ein wunderprächtiges Happyend.

Saftig bleibt „Parachute“ in diesem Pendel. Nur einen Schimmer balladesker Pummeligkeit dringt durchs musikalisch einwandfrei stabile Geflecht; die Nummer rockt, und sie rockt deshalb, weil die Kalifornier ihr immer wieder Gelegenheit geben, neuen Anlauf zu nehmen, nach Atem zu ringen, frische Luft zu holen und erneut loszustürzen. Das Spiel mit knackigem Refrain und taktvollem Versmaß, nahe am Break agierend, gibt „Parachute“ eine Textur von enormem Temperament. Schlagzeuger Scott Underwood und Gitarrist Jimmy Stafford bilden ein unkaputtbares Fundament für Sänger Pat Monahan, der die um wahre Liebe sich drehenden Zeilen so bildhaft umzusetzen weiß, dass man sich in der Tat lustvoll am Fallschirm hängend wähnt. Kaum hebt er, Monahan, Ausbund eines drahtigen, vollkommen klassischen Frontmanns einer Rockband, zum Refrain an, purzelt man aus solchen Himmeln, wo die Geigen hängen. Entscheidend ist nicht, dass es abwärts geht, sondern wie wir die Aufwinde nutzen, die uns zu einem guten Ende bringen.

„Parachute“ heißt nämlich „Fallschirm“. Wie eine große Blüte öffnet er sich hier, bremst den freien Fall und bringt uns sicher hinab. „Ich öffne mich und bin Dein Fallschirm“, singt Monahan. Liebesbeweise können so einfach sein … Dass sich die Rockmusik in dieser Beziehung niemals ändern wird, darum bitte ich doch, denn die Simplizität ist ein wichtiger Bestandteil. Ich will nicht ständig eine verklausulierte Message gegen oder für etwas, ich möchte schlicht unterhalten werden, um zu singen und zu tanzen. Die Gruppe Train kann das gut.

I open up and be
your parachute baby
And I’ll never let you down.
So open up and be
my human angel
And we’ll only hit the ground.

Denn da waren die „Drops of Jupiter“, die um die Jahrtausendwende herum wie Freudentränen aus heiter rockendem Gewölk fielen; es war der Durchbruch für Train auch in Europa. Seitdem hat das Rhythmusgeschwader in steter Regelmäßigkeit Chartnotierungen erreichen und Airplay-Giganten setzen können. „Hey Soul Sister“ aus dem 2009er Album „Save me, San Francisco“ kennt jedes Kind. An „Parachute“, nicht als Single ausgekoppelt, kommt das fröhlich-jodelnde Nümmerchen allerdings nicht heran. Das Fallschirmlied als Jäger emotionalen Schatzes hat deutlich mehr Substanz. Was aber ohnehin sehr oft der Fall ist; nach Singleauskopplungen Longplayer und Bands zu beurteilen, geht meistens schief. Was habe ich nicht für Krücken in meiner Sammlung, allesamt aufgrund eines brachialen Hits gekauft. Der Lernprozess hält leider unvermindert an.

Bei Train war‘s keine Enttäuschung: Die haben auf „Save me, San Francisco“ noch einige weitere starke Titel drauf, bewegend und emotional, nie aspikig-wabernd, sondern mit handfester Struktur. Und „Parachute“ ist – gewissermaßen als Fallschirm des Albums – der Höhepunkt, der alle kleinen Schwächen abfedert.