Ob Frankie endlich in Hollywood angekommen ist, ich weiß es nicht. 1983 hatte er sich unter der Fuchtel des Produzenten Trevor Horn (eigener Hit als Sänger der Buggles: „Video killed the radiostar“) auf den Weg gemacht, relaxed und mit der Kraft der Liebe, wie wir wissen. Aber schon mit „Rage Heart“ aus dem zweiten Album „Liverpool“ verschwand Frankie in der Versenkung. Goes to Hollywood? Ha! Eher gleiten Schweine im Raumschiff durchs Weltall und singen „Danz op de Deel“, als dass zu dieser britischen Bombastpopgruppe jetzt noch irgendein Hollywoodfilm gedreht werden würde, nicht mal ein Holly-Johnson-Streifen. Der war zwar Kopf und Sänger der Combo, ließ sich Anfang dieses Jahrtausends aber auch nicht zu einer Reunion bewegen.

Wenngleich also die Diskografie von FGTH überschaubar bleibt, rüttelte die Band mit ihrem über zwei Millionen Mal verkauften Debütalbum „Welcome To The Pleisuredome“ an den Grundfesten von Mutter Erde. Erst knibbelten die fidelen Fünf mit „Relax“ ein Stück aus der Röhre, das aufgrund seiner homoerotischen Anspielungen eine Zeit lang aus den Radioprogrammen verbannt wurde, dann polterten sie mit „Two Tribes“ einen üppig befeuerten Anti-Kriegs-Song über den Äther, um schließlich „The Power Of Love“ als Nektar prächtigster Blüte über uns zu ergießen.

Die vierte Singleauskopplung, das Titelstück, schaffte es im Gegensatz zu den drei Vorgängern nur auf Platz zwei der britischen Charts – dabei ist keines ihrer musikalischen Schlösser prächtiger als dieses. Eine Residenz formvollendeten Geschmeides, stilvoll möbliert, Raum für Raum, mit funkelnden Lüstern und spektakulären Bordüren voller Eitelkeit. Ein Meilenstein des Progressive Rock, der in der nahezu vierzehnminütigen Albumversion im Spannungsfeld von Discobeat und Donnerpop als feudales Feuerwerk niederbrennt. Die maximale Nummer beginnt mit Regenwaldvogelzwitschern, seidenem Gesang und wie mit Bohnerwachs poliertem Synthesizersound, bevor nach 123 Sekunden die Basslinie auf Spannung gedehnt und die Türen zu dieser Lustkuppel als Hort frivolen Frevels weit geöffnet wird.

We’re a long way from home
Welcome to the Pleasuredome
On your way home
Going home where lovers roam
Long way from home
Welcome to the pleasure dome Who-ha who-ha
Who-ha who-ha

Die Wege von Songwritern sind unergründlich. Fest steht, dass der Text durch das Poem „Kubla Khan“ des englischen Dichters Samuel Taylor Coleridge (1772-1834) inspiriert wurde. Vielleicht wirkt dieser Geniestreich auch deshalb so pompös und nicht allein aufgrund seiner fulminanten Instrumentierung. Man wähnt sich tief in britischer Lyrik, ohne das Werk wirklich zu kennen. Hier ist höchst erquicklich historisches Zeilengold in moderne Popkultur übergeflossen; Kublai Khans Lustkuppel in Xanadu erhält am höchsten Punkt eine Discokugel transplantiert, die flirrende Farbkleckse auf uns niederbröselt.

„Welcome To The Pleisuredome“ ist durchdrungen von ästhetischer Geschmeidigkeit, steht voll im Saft, selbst vier Jahrzehnte nach der Entbindung aus den Köppen seiner Schöpfer. Das Teil glüht so sehr, dass Zweifel an der musikalischen Gruppensubstanz verfliegen. Denn es ist Fakt, dass Produzent Trevor Horn, der das Quintett entdeckte, dennoch zu dem Schluss kam, dass die Qualität der Truppe bescheiden ausfiel – und er sie teils komplett durch andere Studiomusiker ersetzte. Das ist nicht sehr freundlich, aber der Zweck heiligt bekanntlich alle Mittel.