Es gab Zeiten, in denen konnte man Jon Bon Jovi nicht von Nancy Wilson unterscheiden. Sie nannten sich Achtzigerjahre. Wer was auf sich hielt, trug ’ne Lockenmähne à la David Lee Roth, die so aussah, als ob auf der Murmel morgens ein Hahn kräht und mittags das Huhn ein Ei legt. Alle sahen ähnlich aus. Bon Jovi kennt fast jeder, Nancy Wilson eher nicht. Dabei wurde sie mit den Ihren 2012 mit einem Stern auf dem „Hollywood Walk of Fame“ gewürdigt und kaum ein Jahr später auch in die „Rock and Roll Hall of Fame“ aufgenommen. Dazu über 35 Millionen verkaufte Tonträger – und dennoch fliegt die Truppe in Europa unterm Radar der meisten Hörer. Mann, das ist Heart!
So Heart, dass selbst ich vergessen hatte, wie oberaffensahneklasse die Bombastoballade „Alone“ 1987 war und ist, bis ich sie neulich in einem belgischen Hotel starkbiergelähmt, aber noch bei Sinnen, aus den Lautsprechern überm Buffet knödeln hörte. „Alone“ – meine Güte, man musste es gar nicht sein als Teenager damals, allein, und trotzdem fühlte man sich irgendwie so. Das spricht für die Intensität des Liedguts, und ja: Ann Wilson, Schwester der feschen E-Klampfistin, singt so herzzerreißend, dass man vermuten könnte, sie sei gerade frisch im Regen stehen gelassen worden und heult sich jetzt mal so richtig aus. Stimmlich überzeugend, instrumental auf der Rasiermesserkante balanciert, denn das plänkelnde Piano im Richard Clayderman-Stil steht in kontroversem Gegensatz zu donnernden Drums und dramatischem E-Gitarren-Solo. Typischer Achtziger-Rock, allerdings mit viel Gefühl dargebracht. Viele andere haben das nicht auf die Reihe gekriegt.