Hameln-Pyrmont (ul). Baustoffe werden aktuell nicht nur immer teurer und entpuppen sich als Preistreiber bei den Baukosten. Die Bauunternehmen stellen aktuell fest, dass Baumaterialien zurzeit auch immer knapper werden. „Vor allem Stahl, aber auch PE-Materialien sind zurzeit nur sehr eingeschränkt verfügbar“, läutet Michael Gilka die Alarmglocken. Er ist Geschäftsführer der Bundesvereinigung mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB).

Das bestätigt Henrik Reimann vom Hagebaumarkt Honig in Hameln. Die Situation sei sehr herausfordernd. Der Mangel in der Kunststoffindustrie sei eine direkte Auswirkung des reduzierten Flugverkehrs während der Corona-Pandemie. Bei der Kerosin-Herstellung falle die PE-Substanz als Nebenprodukt an, durch gesunkenen Kerosinverbrauch mangele es an diesem Grundstoff für die PE-Baustoffe auf Kunststoffbasis.

Michael Gilka stellt auch bei Holz Lieferengpässe fest. Und auch dies wird von Kreishandwerkermeister Wilhelm-Hauke Bente für das Weserbergland bestätigt. Obwohl Holz in Deutschland im vergangenen Jahr höchste Einschlagzahlen wegen des Borkenkäferbefalls hatte und davon reichlich bei der holzverarbeitenden Industrie gelandet sei, besteht die Knappheit – und der Preis für Bauholz steigt. Das sei für Bauunternehmen und Handwerker ein ärgerlicher Aspekt. Dachlatten, so Bente, kosten jetzt statt einem schon drei Euro. Bente verweist auf die Inflation, aber auch auf einen gewissen Aufholbedarf, nachdem die Produktion in der Pandemie gedrosselt worden war.

Es sei nun einfach für die Lieferanten, bei der Knappheit die Preise hochzuschrauben. Einen weiteren Grund nennt Henrik Reimann: Die Nachfrage aus Amerika sei hoch, der Holzexport aus Deutschland in die USA sei enorm gestiegen. Und das, obwohl das holzreiche Kanada ein direkter Nachbarstaat von Nordamerika ist. Dafür hat Reimann gleich zwei Erklärungen: Kanada habe eine Käferplage an den Douglasien und könne nicht mehr so viel liefern und Trump habe die Handelsbeziehungen zwischen Kanada und den USA deutlich eingefroren, weil er sich mit Trudeau überworfen hatte.

Rahmenbedingungen noch gut

Für Projekte, die vor einem Jahr vertraglich abgeschlossen wurden, sind die Rahmenbedingungen noch gut, räumt Reimann ein. Das ändere sich aber jetzt. So appelliert die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen an die Auftraggeber, durch Stoffpreisgleitklauseln auch auf der Vergütungsseite faire Partner der Bauwirtschaft zu sein. Den Bauunternehmen empfiehlt er eine offene Kommunikation mit den Auftraggebern über die Engpässe bei den Zulieferern.

„Aus dem Kreis unserer vielen Mitgliedsbetriebe erhalten wir vermehrt Informationen, dass insbesondere die Verfügbarkeit von Stahl zurzeit sehr eingeschränkt ist“, berichtet Michael Gilka besorgt. Lieferengpässe gebe es auch beispielsweise bei dem Materialien wie Styrodur. Hier seien oft nur noch aus dem Ausland Lieferungen zu bekommen und die auch nur in einem äußerst eingeschränkten Umfang. „Das treibt dann natürlich auch den Preis gewaltig in die Höhe“, klagt Gilka.

Styrol fehlt

Für die Dämmstoffe Styropor und Styrodor fehlt der Grundstoff Styrol, wie Henrik Reimann weiß. Ein Styrolwerk in Deutschland sei abgebrannt, das führe bei Dämmstoffen zur Verknappung. Wenn ein Produkt knapp wird, so Reimann, wird auf Ersatzprodukte wie Steinwolle und Holzfaserdämmplatten zurückgegriffen, die dann aber auch knapp werden. Das sei eine Kettenreaktion mit Auswirkungen auf alle Dämmstoffe – und der Preis gehe folglich durch die Decke.

Auch bei Gips zeichne sich ein Mangel ab, so Kreishandwerksmeister Bente. Das bestätigt auch Reimann. Durch Stilllegung der alten Kohlemeiler fehle der Reka-Gips. Bei der Stromgewinnung durch Kohle fällt Gips als Abfallprodukt in den Rauchgasentschwefelungsanlagen an, der hervorragend getrocknet sei. Ein Gips aus dem Harz, als natürlicher Gesteinsabbau, stoße nicht nur bei Naturschützern auf Widerstand, er habe auch eine höhere Feuchtigkeit. Die Trocknung dieses Naturmaterials treibe den Preis. In diesem Zusammenhang spricht Reimann von kumulierenden Effekten: „Der Kohleausstieg wird uns begleiten, nicht nur in der Energiewirtschaft, auch der Baustoff Gips wird fehlen und durch längere logistische Wege bei uns teurer werden.“

„Für laufende Bau-Projekte befürchten wir, dass sich Ausführungen eventuell ins nächste Jahr verlagern könnten“, sorgt sich der Verbandsvertreter. Solche drohenden Verzögerungen müssten Auftraggeber bei ihren Haushalts- und Budgetplanungen berücksichtigen, so Gilka. Auftragnehmer seien gefordert, die aktuellen Entwicklungen auf den Rohstoffmärkten im Rahmen der Angebotsbearbeitung, insbesondere bei länger laufenden Projekten, verstärkt zu beobachten. Die BVMB empfiehlt den Bauunternehmen, mit Nachunternehmern und Lieferanten möglichst frühzeitig Risiken anzusprechen und gemeinsam Lösungen zu suchen. Auch sollte die Problematik vor Angebotsabgabe offen mit dem Auftraggeber erörtert werden. „Nur eine frühzeitige offene Kommunikation kann hier helfen, drohende Auseinandersetzungen und Verzögerungen bei der Ausführung zu vermeiden“, empfiehlt Gilka.

Bauunternehmen haben Vertragspflicht

Mittelfristig könnten Preiserhöhungen in der Beschaffung also auf die Baupreise durchschlagen. Erik Stange, Pressesprecher des Verbraucherschutzvereins Bauherren-Schutzbund e.V. (BSB), weist auf die Vertragspflicht der Bauunternehmen hin: „Ist der Bauvertrag geschlossen, dann sind die Preise fest vereinbart. Kostensteigerungen fallen hier alleine in das Risiko des Unternehmers.“ Wenn die Unternehmen dennoch zu Nachträgen auf die vereinbarten Kosten drängen, dann sollte ein Vertrauensanwalt hinzugezogen werden. Komplizierter wird es laut Stange bei Bauverzug durch Lieferschwierigkeiten: „Hier muss das Unternehmen darlegen, dass etwa die Überschreitung des Fertigstellungstermins unverschuldet geschehen ist.“