Weserbergland (ul). Eine Invasion besonderer Baumwanzen stellen Gartenbesitzer derzeit im Weserbergland fest. Die mit einem schildförmigen Körper versehenen braunen, marmorierten Stinkwanzen fliegen am Abend Menschen auf Terrassen an. Wird es kühl, dringen sie in Wohnungen ein. Die Wanzen werden als Schadinsekten für die Landwirtschaft eingestuft, die es bis vor einigen Jahren hier nicht gab.

Die im Volksmund auch Stinkwanzen oder Stinkkäfer genannten Tiere, die in Notsituationen ein stinkendes Gift versprühen, mit dem sie natürliche Feinde irritieren und abschütteln, kommen aus China und sind eine invasive Art. Laut Marie Brinkmann, Pressesprecherin vom Landvolk Weserbergland, liegen im Weserbergland zumindest noch keine Fälle von großen Schäden durch die marmorierte Baumwanze auf landwirtschaftlichen Nutzflächen vor. „Die landwirtschaftlichen Berater vom Landvolk beobachten die Bestände genau und reagieren, wenn Schadbilder entstehen“, sagt Marie Brinkmann.

Die marmorierte Baumwanze verursacht in Italien bereits seit 2017 massive Fraßschäden im Obst- und Gemüsebau. Diesen Wanzen schmeckt einfach alles: Obst, Gemüse, Soja und Nüsse. Seit 2019 ist die marmorierte Baumwanze auch in Konstanz am Bodensee in Obstanbaugebieten sesshaft geworden. Im Mai 2021 stiegen die Befall-Zahlen auf einen neuen Höchstwert in Konstanz. Bäume, die im Frühjahr Früchte tragen, sind auch in der Schweiz in den Großstädten sehr beliebt bei den marmorierten Baumwanzen (Halyomorphahalys), die sich gegen Pestizide als ziemlich widerstandsfähig erweisen. Und nun breitet sich ihre Population auch in Norddeutschland aus.

Ausgehend vom Rhein als Transportweg hat sich diese invasive Art bereits gen Norden „durchgebissen“. In Baden-Württemberg sind Haselnüsse besonders befallen. Sie schmecken dann bitter und sind ungenießbar. Gewächshäuser sind ein beliebter Aufenthaltsort der marmorierten Baumwanze und ihrer Nymphen (Jungtiere), weil sie Wärme lieben. Der Druck auf die landwirtschaftlichen Berater nimmt zu. Duftende Lockstoffe helfen anscheinend nicht; in den Gewächshäusern riecht es zu gut nach Paprika, Peperoni und Tomaten – die Wanzen reagieren deshalb nur sehr träge auf Lockduftstoffe. Wie man mit der invasiven Art auf Bundesebene umgehen soll, ist unklar; zwischen Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministerium herrscht bisher Uneinigkeit, wer im Kampf gegen die marmorierte Baumwanze den Hut auf hat.

Fest steht: Die Samurai-Wespe (Trissolcusjaponicus), eine kleine Schlupfwespe, ist in Asien der natürliche Feind der marmorierten Baumwanze. Am 18. August 2020 wurde sie erstmals in Deutschland nachgewiesen. Ihre Eier legt sie in die Eier der Baumwanze, ihre Larven ernähren sich davon. Naturschützer sind allerdings skeptisch, welche Auswirkung die Samurai-Wespe auf das ökologische Gleichgewicht hier hätte, wenn man sie gegen die Wanze gezielt einsetzen würde. Manfred Siering vom BUND fürchtet, dass noch niemand weiß, was passiert, wenn man diese Wespenart als sogenannten Neobiota (eine Art, die sich durch menschliche Einflussnahme in einem Gebiet etabliert, in dem sie eigentlich nicht auftaucht) einsetzt, „weil sie eventuell auch Schaden für nützliche Tierarten anrichtet“, so Manfred Siering.

Ernst genommen wird das Problem offensichtlich jedenfalls schon auch auf internationaler Ebene: Container mit Autos aus Deutschland nach Australien und Neuseeland werden bereits thermisch vor der Ausfuhr behandelt, denn dort ist der Schädling noch nicht angekommen und die Länder wollen vermeiden, dass er sich mit dem Import von Waren auch bei ihnen breitmacht, wie Tim Haye vom Cabi-Forschungszentrum Zürich als Experte für invasive Arten sagt.

Wie zu erfahren ist, forscht er gemeinsam mit australischen Wissenschaftlern an einem Geruchsdetektor für Stinkwanzen, der in den Schiffscontainern eingesetzt werden soll. Japanische Autoladungen nach Australien wurden bereits zurückgeschickt, weil darin Stinkwanzen entdeckt worden waren. Und in Italien darf nun bereits unter Einsatz des landwirtschaftlichen Versuchszentrums Laimburg bei Bozen die Samurai-Wespe in besonders betroffenen landwirtschaftlichen Anbaugebieten ausgesetzt werden. Ebenso in Zürich. In Deutschland will man die Versuche aus Italien beobachten und abwarten, bevor man selbst aktiv wird.