Von Jens F. Meyer

Im Brustton eines Besserwissers über Musik zu urteilen, führt nie zu einem guten Ergebnis. Ich gebe aber zu, dass der luschige Singsang im Langweilerportfolio vierzigzähniger Popperlchen aus den Verkorksten Staaten von Amerika, deren Stimmen ich schon lange nicht mehr auseinanderzuhalten in der Lage bin, und der plüschige Schlagerpop aus deutschen Landen, dessen sehnsuchtsvolle Ernsthaftigkeit schwer zu ertragen ist, mich fassungslos macht. Die Frage, welcher verwirrte Produzent auf die Idee gekommen ist, diesen seichten Sabber einspielen und -singen zu lassen, stellt sich aber nicht, solange es ein Hit wird – vieles wird ein Hit, das ist ja das Verrückte! Folglich muss ich zugeben, mich mehr und mehr als Außenseiter zu fühlen, obwohl ich von früh an im Grunde ja nur dem Mainstream folgte. Doch der Mainstream von früher ist der Schatz von heute!

Ein Schatz, wie ihn Jimi Hendrix uns schenkte, damals, mit Zähnen und Zunge spielend, komplett im Rausch. „Foxy Lady“ klingt wie ein Gewitter, das aus fernster Ferne aufzieht, mit den ersten Sekunden gewaltiges Wetterleuchten vorausschickt, um dann als kosmisches Karacho in Blitz und Donner über und in unseren Köpfen zu explodieren. Man sieht ihn förmlich die Saiten schmettern, den Jimi, diesen tragischen Helden der Rockmusik, mit dunklem Hut und weißem Hemd vor einer Wand aus riesigen Lautsprechern sich an seinem Instrument windend. Ein Genie, das an der Welt zerbrach, ihr aber ein Erbe vermachte, das von höchstem Rang ist. Oder besser noch: geworden ist. Denn je mehr Gedöns die Zeit uns zu den Ohren suppen lässt, umso stärker taucht so ein solider Song daraus hervor.

Als wolle Jimi heiße Lava damit ablöschen, so sehr knallte er „Foxy Lady“ (und freilich auch andere Klassiker wie etwa „Voodoo Child“) aus seinem 1967er Debüt-Album „Are You Experienced“ mit voller Schubkraft Richtung Freiheitsgefühl. Übersetzt bedeutet der Titel „Heiße Braut“, und ja, ist klar, die Weltenverbesserer von heute kanzeln Derartiges wieder ab; sie kommen zum Glück über fünfzig Jahre zu spät, um es zu verhindern. „Foxy Lady“ entlädt sich bis heute mit donnerndem Schlagzeug und zürnender E-Gitarre, die Jimi „The King“ Hendrix aufheulen lässt wie einen Formel-Eins-Renner an der Startlinie. Alles andere wird dann zur Nebensache.