Hameln/Bad Pyrmont (ul). Touristisch betrachtet gehören Ratten zum Kapital der Stadt. Doch Hamelns Verwaltung müht sich, die Fortpflanzung der Nager im Griff zu behalten. Mit Erfolg, denn die Population in Hameln ist nicht höher als in anderen Städten – was ausnahmsweise nichts mit dem weltbekannten Rattenfänger zu tun hat … Bad Pyrmont ist laut Sabine Jösten, Pressesprecherin der Stadt, indes rattenfrei. Und das ist auch ganz wichtig, denn: „Für Bad Pyrmont ist das Prädikat ‚Praktisch rattenfrei‘ ganz wichtig, um den Kurort-Status zu erhalten. Hierfür wird jährlich einmal der Rattenbestand durch da Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit überprüft.“

Die Sage vom Rattenfänger, die Aufführungen als Musical und Freilichtspiel, die Stadtführungen mit der sagenhaften Figur durch die Fachwerkgassen und dazu vor einigen Jahren eine tolle Ausstellung mit dem Titel „Ratten“ im Museum in der Osterstraße. Aber all diese positiv behafteten Dinge und Ereignisse sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass hoher Rattenbefall einer Stadt großen Schaden zufügen kann – auch aus gesundheitlicher Sicht. Bad Pyrmont zum Beispiel muss sich als Kurstadt darum bemühen, „quasi rattenfrei“ zu sein, weil dies laut Kurort-Verordnung verpflichtend ist und vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit jährlich überprüft wird. Ergebnis laut der Pyrmonter Pressesprecherin: „Die Kurstadt ist nahezu rattenfrei.“ Wie es in der Rattenfängerstadt aussieht, darüber klärt Hamelns Pressesprecher Thomas Wahmes im Gespräch mit dem HALLO Sonntag auf:

Herr Wahmes, gibt es noch Ratten in Hameln?
Ja, es gibt noch Ratten in Hameln. Auch wenn man sie meistens nicht sieht – es wäre unrealistisch, eine Stadt völlig rattenfrei bekommen zu wollen. Unser Anspruch ist jedoch, dafür zu sorgen, dass die Population begrenzt wird.

Wer untersucht oder bemisst, wie hoch die Rattenplage überhaupt ist?
Eines vorweg: Wir können nicht von einer Rattenplage sprechen. Die Population in Hameln ist nicht höher als in anderen vergleichbaren Städten. Mitarbeiter des Betriebshofs der Stadt kontrollieren regelmäßig, das heißt mehrmals im Jahr, ob es Rattenbefall gibt. Dazu werden in der Kanalisation Köder ausgelegt. Werden diese von den Ratten aufgenommen, deutet dies auf einen Befall.

Was macht die Stadt Hameln im jährlichen Programm dagegen?
Stellen wir einen Befall fest, legen wir weitere Köder aus. Die Wirkungsweise ist so, dass nach Verzehr der Köder die Blutgerinnung der Ratten gestört wird – die Tiere verenden. Dies passiert in zeitlichem Abstand zur Aufnahme des Köders. So ist es den Ratten nicht möglich, einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Nahrung und dem Verenden herzustellen. Wir sehen die Bekämpfung von Ratten in der Kanalisation als ständige Aufgabe. Wir dürfen hier nicht nachlassen – sonst würden wir ein Anwachsen der Population riskieren. Außerdem bekämpfen wir auch Ratten an Gewässern und – nach Anforderung – auch auf Privatgrundstücken. Die Arbeit auf Privatgrundstücken ist ein Service der Stadt, denn normalerweise sind Grundstückseigentümer zur Rattenbekämpfung verpflichtet.

Wo sind beliebte Aufenthaltsorte der Nager?
Beliebte Aufenthaltsorte sind die Kanalisation, Gewässer und verwahrloste Grundstücke. Ratten halten sich überall dort auf, wo sie Essensreste vorfinden. Nistplätze haben sie vorzugsweise in Erdbauten.

In Bad Pyrmont läuft die Überprüfung wie folgt ab: Ein Mitarbeiter kontrolliert ab circa 110 Stellen im Kanalnetz sowie an Objekten innerhalb und außerhalb von Bebauungsgebieten den Rattenbefall durch Auslegung von Ködern. Bei maximal zwei von diesen 110 Stellen darf dabei ein Rattenbefall festgestellt werden. Andernfalls wird das Prädikat „praktisch rattenfrei“ durch das Landesamt (LAVES) nicht erstellt. Die rechtliche Grundlage dafür ergibt sich aus der gültigen Verordnung über die Anerkennung von Kur- und Erholungsorten (KurortVO). „Das Prädikat ist ein zwingender Baustein im Verfahren zur Prädikatisierung als Kurort durch das Land Niedersachsen und somit für Bad Pyrmont von immenser Bedeutung“, sagt Sabine Jösten.

Erfreulich: Bislang konnte das Prädikat immer erteilt werden. Dies ist auch das Resultat der Stadtoberen, die für den Erhalt dieses quasi rattenfreien Zustandes ein professionelles Schädlingsbekämpfungsunternehmen beauftragen. Von dem Kammerjägerteam werden dreimal pro Jahr im gesamten Stadtgebiet Köderbeutel ausgelegt, um die Stärke des Befalls zu ermitteln. Bei Bedarf erfolgt eine Nachbelegung mit Ködern zur weiteren Reduzierung des Rattenbestandes. Die Bürger werden regelmäßig über die Presse aufgefordert, Rattenbefall dem Fachgebiet Ordnung und Soziales zu melden. Grundsätzlich befinden sich die Nagetiere im Kanalnetz der Stadt gern auch in Außenbereichen. Natürliche Feinde sind Hunde und Katzen, Marder, Wiesel und Iltisse, auch Bussarde und Eulen.

Aber wozu der ganze Aufwand mit der Jagd? Ratten sind Überträger von Salmonellen, Trichinose, Ruhr, Cholera und Leptospirose, eine Berufskrankheit von Kanalarbeitern. Wer Ratten entdeckt, muss damit rechnen, dass sich noch mindestens 20 bis 80 weitere in dem Areal befinden, denn die Tiere leben in Rudeln. Ratten sind beim Ordnungsamt meldepflichtig. In die Enge gedrängt können die Tiere aggressiv reagieren, bis zu 1,5 Meter hoch springen und den Menschen beißen.

Rattus norvegicus, die Wanderratte, lebt zwei Jahre. Nahezu ganzjährig findet die Fortpflanzung statt mit durchschnittlich acht Jungen pro Wurf und sechs bis acht Würfen pro Jahr. Wanderratten sind nach zwei bis drei Monaten, Hausratten (Rattus rattus) sind nach drei bis vier Monaten geschlechtsreif, sie leben nur ein Jahr lang.

Bürger sollten keine gekochten Essensreste – vor allem kein Fleisch und Knochen – auf dem Kompost entsorgen und strikte Hygiene bei der Abfallentsorgung walten lassen. Auch niemals Essensreste in der Toilette herunterspülen oder draußen wegwerfen – andernfalls werden Kanalratten sofort angelockt.