Bad Pyrmont. Seit Jahren kämpfen unterschiedliche Akteure um den Erhalt des einzigen Augenarzt-Sitzes in Bad Pyrmont. Dass eine Stadt mit fast 20.000 Einwohnern den verlieren könnte, betrachten sie als Unding. Jetzt soll eine Unterschriftensammlung die Entscheider aufrütteln.

Initiatorin Carolin Muschter verteilte mehrere Listen in Pyrmonter Geschäften. Im Modehaus Schwager hat der Chef zum Unterzeichnen der Liste extra ein Tisch aufgestellt, „Natürlich möchte ich, dass uns in Bad Pyrmont ein Augenarzt zur Verfügung steht“, sagt Schwager-Geschäftsführer Helmut Fahle, der auch der örtlichen Werbegemeinschaft vorsteht. Mit Blick auf das Staatsbad als Gesundheitsstandort fügt er, rhetorisch fragend, hinzu: „Wo, wenn nicht hier?!“

Denn Fahle weiß, was Niedersachsens Kassenärztliche Vereinigung (KVN) und die Krankenkassen, deren gemeinsamer Zulassungsausschuss über solche Fälle entscheidet, eigentlich auch längst wissen müssen: „Hier leben so viele Leute, die nicht mobil sind.“ In Zahlen: Fast ein Drittel der Pyrmonter zählt zur Altersgruppe 65 plus. Fast 12 Prozent der hier lebenden Menschen sind sogar mindestens 80 Jahre alt. Viele von ihnen können nicht mal eben in die mehr als 20 Kilometer entfernte Kreisstadt Hameln fahren, um einen der acht Augenärzte dort aufzusuchen. Und die Praxis in Bad Münder ist noch weiter entfernt.

Doch zu den Leidtragenden gehören Menschen aller Altersgruppen. Also auch Familien mit Kindern – was die Stadt mit Blick auf die augenärztliche Versorgungslücke in dieser Hinsicht nicht als die „Kinderfreundliche Kommune“ ausweist, die sie sein möchte. Darauf weist die Pyrmonter Ratsfrau Muschter von der Wählergemeinschaft „intakt“ in ihrem Brief an Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi, die KV sowie heimische Landtags- und Bundestagsabgeordnete hin.

Dabei ist es erklärte Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen, „die ambulante medizinische Versorgung für die Versicherten flächendeckend und wohnortnah zu garantieren“. Davon kann hier jedoch nicht die Rede sein. Aktuell gibt es hier zwar noch einen Augenarzt. Aber Dr. Eckhard Reichenbach ist 83 Jahre alt und belegt mit seiner Praxis nur noch einen halben Sitz. Dabei hat sich dem Vernehmen nach längst eine Praxis in Hameln gefunden, die für deren Übernahme und damit Bad Pyrmonts künftige augenärztliche Versorgung bereitstünde. Aber die KV vereitelte im März den Übergang an den Nachfolger. Begründet wurde das mit „Geringfügigkeit“. Wegen ihres überschaubaren Patientenstamms betrachtete man Reichenbachs Praxis als nicht übergabefähig.

Was die Entscheider dabei außer Acht ließen: Würde eine neue Praxis in Vollzeit öffnen, dann wäre das Wartezimmer garantiert im Nu voll. Denn viele Behandlungsbedürftige weichen seit Langem notgedrungen in andere Orte aus. Doch je älter sie werden, desto beschwerlicher wird der Weg dorthin.

Das statistische Zahlenverhältnis, wonach im Landkreis Hameln-Pyrmont auf rund 7200 Einwohner ein Augenarzt kommt, ist im Pyrmonter Talkessel blanke Theorie. Der Grund für die Pyrmonter Versorgungslücke: Der Fachärzte-Bedarf wird kreisweit berechnet, und rein rechnerisch gilt das Kreisgebiet als überversorgte Sperrzone für neue Zulassungen. Im Falle eines Kassenarzt-Sitzverlustes in Bad Pyrmont liefe das in der Realität auf die Ignoranz einer ganzen Stadt hinaus, die dem Landkreis immerhin die zweite Hälfte seines Namens gab.
Die Unterschriftenlisten liegen aktuell aus bei: Optik am Brunnenplatz, Optiker Strowick, in der Brunnen-Apotheke, im Modehaus Schwager, bei „Meine Teezeit “ und in der Fürsten-Buchhandlung. Es geht darum, dem Bedarf mit möglichst vielen Unterschriften Ausdruck zu verleihen.