So leidenschaftlich gerne ich sie auch esse – die pikanten Strudel genauso wie die süßen, die mit Gemüse gefüllten oder die mit Äpfel oder Quark bereiteten: Sie sind, bei aller Rustikalität, ausgesprochene Sensibelchen und misslingen leider öfter, als dass sie gelingen würden. Und Männer fast immer auf der Verliererstraße. Das alles wegen so einem blöden Strudelteig, der beim Ausziehen so gerne reißt, auch wenn man ihn mit Butter eingepinselt hat, keinen Ring am Finger trägt und der Teig mit doppelgriffigem Mehl bereitet wurde. Frauen müssen sich vergleichsweise an nichts halten – nehmen unser normales Mehl, verzichten auf die Butter-Pinselei, denken gar nicht daran, ihre Brillis vom Finger zu ziehen. Und schon ließe sich durch den so dünn gezogenen Teig die Zeitung lesen. Problemlos auch die Füllung verteilt, eingerollt und im Backrohr vollendet.

Dabei ist das alles wirklich ganz einfach. Wenn man es denn kann. Übung dürfte zusätzlich hilfreich sein. Natürlich kann man Strudelteig heute auch problemlos in fast jedem Supermarkt kaufen, wo sich die Packungen in den Kühlregalen stapeln und auch gegen Blätterteig getauscht werden können oder notfalls ein Filo-Teig vom Türken aushelfen muss. Sie sind allerdings – selbst als einigermaßen perfekte Kopie – mit einem selbst Ausgezogenen schlicht nicht zu vergleichen. Ganz abgesehen vom berechtigten Stolz, wenn sie händisch perfekt gelingen.

Und stammen als Urstrudel von den Türken, die einmal den Halbmond auf dem Wiener Stephansdom hissen wollten! Auch wenn sie dank Prinz Eugen mit „blutiger Nase“ abziehen mussten: Via Strudel eroberten sie das Habsburgerreich zumindest kulinarisch mühelos. Mussten allerdings mit ansehen, wie ihre ureigenste Spezialität eine Österreichische wurde. Nicht zum ersten Mal.
Los geht’s – und an den Erfolg glauben: 200 g Mehl (Typ 480), 1/8 l lauwarmes Wasser, 1 EL Öl, eventuell 1 Ei, eine Prise Salz, Mehl zum Bestauben, Butter und Öl zum Bestreichen, vorbereiten. Mehl auf die Arbeitsfläche häufeln, einen Krater für Salz, Öl und vielleicht das Ei bilden und mit einer Gabel nach und nach das lauwarme Wasser einrühren und glatt verkneten. Auf einen Teller legen, dünn mit Öl bepinseln und zugedeckt an einem warmen Ort eine halbe Stunde rasten lassen. Teig auf ein bemehltes Tuch legen, das auf einem „Ausziehtisch“ liegt – alter Pennälerwitz und da als Striptease-Table“ bezeichnet – mit Mehl bestäuben und mit einem Nudelholz großflächig ausrollen und mit flüssiger Butter bestreichen. Fünf Minuten ruhen lassen. Mit den Handrücken unter den Teig greifen und gefühlvoll, aber nicht zaghaft, ausziehen. Wenn möglich über die Tischecken ziehen und so fixieren. Die dicken Ränder abschneiden. Nochmals mit flüssiger Butter beträufeln.

Als pikante, eher etwas rustikale Strudel müssen sie nicht ganz so extrem dünn ausgezogen werden – es genügt, wenn man die Überschriften der imaginären Zeitung noch lesen kann, weil hier die Füllungen im Gegensatz zu Apfel und Quark schwerer sind. – Als Beispiel ein Kartoffelstrudel, der auch einer mit Spinat oder Champignons oder mit Kraut, alias Kohl sein kann, vegetarisch oder mit Hackfleisch. Man kann auch Blutwurst in Scheiben untermischen. Als Basis 600 g vorwiegend festkochende Kartoffeln kochen, ausdampfen lassen und schälen. Dazu 60 g Speck, 3 EL Schmalz oder Öl, 60 g Zwiebel, 100 g Saure Sahne, 2 Eier, Salz, Pfeffer, Knoblauch (eine oder mehrere Zehen) sowie Butter zum Bestreichen.

Fett erhitzen, den Speck in kleinen Würfelchen anrösten, die ebenfalls fein gewürfelten Zwiebeln dazu und auch die kleinwürfelig geschnittenen Kartoffeln. Würzen. Erkalten lassen, Eier trennen und alles mit Eidotter und saurer Sahne unterrühren. Eiklar zu Schnee schlagen, unter die Kartoffelmasse heben.

Den jetzt ausgezogenen Teig mit der Masse bedecken – rundherum einen 2 cm breiten Rand lassen – und mithilfe des Tuchs straff einrollen. Dabei die Seiten einschlagen und so verschließen. Auf ein gebuttertes Backblech legen, mit flüssiger Butter bestreichen und im auf 200 Grad vorgeheizten Backrohr etwa 20 Minuten knusprig braun backen. Dazu gibt es vor allem Blattsalate und davor eine kräftige Suppe mit viel Gemüse.