Weserbergland / Lippe (pj/ey). Tagsüber kann man sie sehen, nachts oft nur hören. Die Kraniche sind wieder unterwegs. Doch sie ziehen in diesem Jahr deutlich später als sonst in ihre Winterquartiere in den Südwesten Europas. Dass sich der Vogelzug in diesem Jahr verspätet, hat zwei Gründe: das warme Spätsommerwetter und die Herbststürme.

Im August finden sich die einheimischen Brutpaare mit ihrem Nachwuchs an den Sammelplätzen, wie den Moorgebieten im Bereich Diepholz. Zuerst treffen die Junggesellen und Paare ohne Bruterfolg, anschließend die Brutpaare mit ihren Jungen ein. Im September kommt Verstärkung von durchziehenden Kranichen aus nordischen und östlichen Brutgebieten dazu, die in Deutschland Zwischenstopps einlegen.

Die Keilform verringert
den Luftwiderstand

Steigen die Grus grus, so die lateinische Bezeichnung des Schreitvogels mit den langen Beinen und dem langen Hals, in die Luft zum Flug in die Überwinterungsgebiete auf, fliegen sie meist in Keilen, das verringert den Luftwiderstand. Während des Zugs stoßen sie markante Laute aus, so kann man sie vielleicht nicht sehen, jedoch hören. Abhängig von den Witterungsbedingungen sind die Flugetappen mal kürzer oder länger. Stürmt es wie in den vergangenen Wochen, bleiben die Vögel mit ihrer beeindruckenden Ausfärbung und den spektakulären Tänzen am Boden.
Kraniche haben die Menschen bereits vor Jahrtausenden fasziniert. In der griechischen Mythologie sind sie Symbol der Wachsamkeit und Klugheit und Vögel des Glücks. Ein Glück, das sich zurzeit aber auch bei vielen Menschen mit Wehmut mischt, wenn sie die Kraniche am Himmel Richtung Süden ziehen sehen oder hören, denn dies ist der Gesang des scheidenden Sommers. Die dunklen Tage haben uns erreicht. Nach den stürmischen Tagen waren mehrere Verbände über das Weserbergland gezogen, weitere folgen. Laut Naturschutzbund Deutschland (Nabu) rasten noch mindestens 12.000 Vögel an der Ostsee und werden jetzt nach und nach aufbrechen. Ein Naturereignis, das vielen Menschen zu Herzen geht.

Unterschiedliche Zugwege auf dem Weg ins Winterquartier

In Europa brütende Kraniche nutzen je nach Lage des Brutgebietes unterschiedliche Zugwege auf ihrem Weg in die Winterquartiere. In Skandinavien, Mitteleuropa (Deutschland, Polen, Tschechische Republik) sowie im Baltikum brütende Kraniche nutzen den westeuropäischen Zugweg, der nach Zwischenstopps in Deutschland zu Winterquartieren in Frankreich und Spanien führt. Ein Großteil der finnischen Kraniche sowie die in Mittel- und viele der im Ostteil Estlands brütenden Kraniche nutzen dagegen den Baltisch-Ungarischen Zugweg. Dieser ist südwärts gerichtet und führt zu Zwischenrastgebieten im östlichen Ungarn und im nördlichen Serbien. Die Zugwege zu den Überwinterungsgebieten im Herbst und auf dem Heimzug zu den Brutgebieten im Frühjahr unterscheiden sich nur unwesentlich, da oftmals dieselben Zwischenrastgebiete genutzt werden. Der Zug im Frühjahr verläuft schneller, damit die Kraniche rasch in ihre Brutreviere zurückkehren können.
In den vergangenen Jahren versuchten immer mehr Kraniche auch in Deutschland zu überwintern, wobei die Zahl der Überwinterer stark schwankt und bei lang anhaltenden Kälteperioden mit Starkfrösten und Schnee viele Vögel noch in Richtung Frankreich abzogen. Als Hauptüberwinterungsgebiete in Deutschland haben sich die Diepholzer Moorniederung zwischen Osnabrück und Bremen sowie der Raum Berlin (Rhin-Havelluch, Mittlere Havel zwischen Potsdam und Brandenburg/Havel, Notte-Niederung südlich Berlin) entwickelt,