Wenn die drei Urgestein-Stones Jagger, Richards und Wood im zarten Alter von 235 Jahren ein neues Album veröffentlichen, das der pestilenzialischen Kaspermucke den Teint raspelt, ist das ein güldener Grundstone für die Hi(t)Story. Richards und Wood mölmern, obgleich endlich klaren Verstandes, wie im Rausch ihre Gitarrensounds vertikal, während Sir Mick schnippisch durch Zeilen jauchzt und faucht; wie heiße Sprudel steigen seine Worte empor.

Es ist eine Rock’n’Roll-Lehrstunde, wie ich sie seit Jahren nicht gehört habe! Mindestens ein halbes Dutzend der zwölf neuen Songs aus „Hackney Diamonds“ hätte das Zeug dazu, diese, unsere Musik-Rubrik zu beglücken, das Schicksal entschied sich für „Depending on you“, weil es die pure Kraft des Ereignisses an sich ist, die uns hier melancholische Mönsterchen in Gedanken zwirbelt und Feuerbälle im Himmelszelt über unserer Seele explodieren lässt. Und das ohne Watts (Charlie), aber mit Watt (Andrew). Watt, wer? 33 Jahre jung, hat dieser Produzent den Stones genauso viel Feuer gemacht wie vor einem Jahr der alten Faltenechse Iggy Pop für dessen 19. Studioalbum; Ozzy Osbourne holte er ebenfalls aus dem Reich der Scheintoten zurück. Prachtkerl!

Aus diesem Mittdreißiger-Donnerbeat und der musikalischen Reife erwächst ein unbändiges Kraftmonster. Hier im Speziellen mit Streichern und Chor untermauert, das berührender nicht sein könnte.

Now I’m too young for dying and too old to lose
Cause I was depending on you.

Ein Liebesleidlied, das Tränen der Freude rollen lässt. Repeat-Taste, sofort!