Hameln-Pyrmont (mes). Die sich weiter zuspitzende Corona-Krise und die erneuten massiven Beschränkungen des öffentlichen Lebens sind auch für den Kopf eine Belastung. Im Vergleich zu der Situation im Frühjahr kommt hinzu, dass die ernste Lage dieses Mal im Herbst passiert und sich wahrscheinlich durch den Winter ziehen wird. Viele Menschen haben Angst, manche gar Panik und igeln sich ein. Doch das ist ein Fehler, mahnt Dr. med Hans-Hermann Zimny. Der Pyrmonter Allgemeinmediziner rät zu Sonne und frischer Luft.

Angst macht depressiv, weiß er. Und in diesen Zeiten mehren sich psychische Probleme. Das unterstreicht auch Dietrich Munz. „Die zweite Welle der Corona-Pandemie führt für alle Menschen zu einer langen und schwierigen Zeit der Anpassung“, erwartet der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. „Sie wird erneut zu mehr psychischen Krisen und depressiven Erkrankungen und Angststörungen führen.“ Nach seiner Ansicht könnten die Menschen anders als im Frühjahr nicht einen schnellen Rückgang der zweiten Ansteckungswelle erwarten. Das mache es schwieriger, psychisch gesund durch die Wintermonate zu kommen.

„Erneut mit den Beschränkungen und den Bedrohungen konfrontiert zu werden, in einer dunklen Jahreszeit: Diese Kombination ist eine hohe Belastung“, betont auch die Autorin und Psychotherapeutin Mirriam Prieß. Die Bedrohung durch Corona führe dazu, dass sich viele Menschen zurückziehen und irgendwie durchzuhalten versuchen, führt Dietrich Munz aus. Das sei bei psychischen Beschwerden jedoch nicht ratsam. Er empfiehlt: Jeder, der sich psychisch mehr als zwei Wochen lang anders als normal fühlt, sollte nicht zögern, sich in der Sprechstunde einer psychotherapeutischen Praxis beraten zu lassen. Dass die eigene psychische Belastungsgrenze überschritten ist, kann sich an unterschiedlichen Belastungssymptomen zeigen – dazu zählen unter anderem sozialer Rückzug, innere Unruhe, Angst, Anspannung, Erschöpfung und Resignation, aber auch körperliche Beschwerden wie Magenprobleme, Kreislaufschwäche, Tinnitus oder Allergieschübe.

Bereits im Zuge des ersten Lockdowns im März rieten Experten, in dem Strudel verstörender Nachrichten nicht unterzugehen und das Beste aus der Situation zu machen. Der Hamelner Psychotherapeut Dr. Michael Heilemann betonte damals: „Es mit der Angst nicht übertreiben! Denn das wäre schlecht für die Gesundheit!“ Hoffnung, die unsichtbare Gefahr besiegen zu können, sei extrem wichtig – und gute Stimmung. „Positive Gespräche führen, in der Familie mehr Zeit füreinander haben, gemeinsam lachen, spielen, basteln, Freude haben“, nennt auch die Bad Pyrmonter Entspannungstherapeutin und Lehrerin Birgit Hilbig als vorbeugende Medizin gegen düstere Gedanken und zur Stärkung des Immunsystems. Frische Luft schnuppern, auch bei Regenwetter draußen sein – das helfe sehr beim seelischen Auftanken. Sich gesund zu ernähren, sei ebenfalls wichtig für die Abwehrkräfte. „Panikgedanken blockieren die Selbstheilungskräfte“, ist Hilbig überzeugt. „Psyche, Gesundheit, Bewegung bilden einen Dreiklang.“

Auch Dr. med. Hans-Hermann Zimny rät zur körperlichen Betätigung draußen und dazu, nicht nur das Negative zu sehen. „Geht’s der Psyche gut, sind auch die Abwehrkräfte gut“ – und das könne wiederum potenzielle Krankheiten verhindern. Gleichzeitig mahnt der Allgemeinmediziner aber auch dazu, nicht zu leichtsinnig zu werden und sich zu schützen sowie Kontakte so kurz wie möglich zu halten.

Was ihm darüber hinaus wichtig ist: Auch bei anderen, körperlichen Krankheitssymptomen sollte nicht gezögert werden einen Fachmann aufzusuchen. Er habe selbst in den vergangenen Monaten erlebt, dass ihn Patienten nicht konsultierten, aus Angst sich mit Covid-19 zu infizieren. „In manchen Fällen war es dann zu spät“, sagt er. Manch einer sei so zum Beispiel an Krebs gestorben, weil er zu spät festgestellt wurde. Zimny appelliert an alle Menschen, Beschwerden nicht aufzuschieben und zeitig abklären zu lassen.